London ist eine der tollsten Städte, die ich kenne. Ich meine, Halloo?, London hat so viele Theater, dass ich mindestens vier Monate lang jeden Abend ein anderes besuchen könnte, ohne mich zu wiederholen. Naja, falls ich Tickets bekäme, denn DAS ist nicht immer leicht. Da ähneln sich London und Oslo – ausverkaufte Vorstellungen sind keine Seltenheit.
Hallo, meine lieben internationalen Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Vier Tage London – in Kurzfassung: Grandios! Aber es war auch schön, wieder zurück nach Oslo zu kommen. Die Unterschiede zwischen den beiden Städten könnten größer nicht sein, doch Obacht, es gibt auch Gemeinsamkeiten und wer glaubt, dass London im Vergleich immer die Nase vorn hat, der sollte sich an selbige fassen und erneut nachdenken. Es folgt also, ein (möglichst gerechter) Vergleich. In zehn Kategorien werde ich meine ganz persönlichen Erfahrungen gegenüberstellen, das kann totaler Nonsens sein, aber das ist ja nun mal mein Blog und ich darf das! Und natürlich ist es fast unmöglich, eine 600.000-Einwohner-Stadt mit einer 8-Millionen-Einwohner-Metropole zu vergleichen, aber ich mache es trotzdem. Jawoll! Für empörte Proteste oder begeisterten Zuspruch steht Euch das Kommentarfeld zur Verfügung! 🙂 Los geht’s also – Oslo vs. London!
1. Königshaus: Queen Elisabeth vs. König Harald
Selbstverständlich ganz oben auf meiner Liste (Therapieerfolge im Kampf gegen ausgeprägte Klatsch- und Tratschsucht und Gefallen an Königshäusern sind bei mir bisher nicht zu vermelden). Beginnen wir beim Schloss: So hübsch das norwegische Schloss auch inmitten von Bäumen gelegen ist; auch wenn es gerade einen funkelnagelneuen Vorhof bekommen hat; auch wenn man als Besucher fast an die Tür klopfen kann, bevor ein freundlicher Soldat sich nähert – alles nichts gegen Buckingham Palace. Hier, wo die ganze Welt live dabei ist, wenn sich auf dem königlichen Balkon geküsst wird oder wenn Blumenmeere vor den Toren liegen – hier weht ein royaler Wind. Als ich mit vielen anderen Touristen vor dem haushohen schwarzen Metallzaun stehe, frage ich mich für einen Moment, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe, aber der Moment geht so fix wie er gekommen ist.
So beeindruckend der Palast ist, so unnahbar wirken seine Bewohner. Die norwegische Königsfamilie hingegen gilt als volksnah, was allerdings auch daran liegen kann, dass sie vom Volk eingesetzt und daher auch vom selbigen abgesetzt werden könnte. Da stellt man sich besser gut…. Klatsch und Tratsch bieten beide Häuser, ich gehe jetzt nicht ins Detail, keine Sorge. Der Vergleich der beiden Regenten fällt leicht: Elisabeth ist eine toughe Lady, die sich seit 60 Jahren von nichts unterkriegen lässt und Corgies liebt. Harald fläzt sich schon mal auf dem Stuhl bei der Verleihung des Friedensnobelpreises und segelt gern. (Was heißt hier, das sind komische Kriterien??????)
Meine Stimme geht an Elisabeth und insgesamt die britische Monarchie und deren Zentralvertretung in London. Das war einfach.
London – Oslo 1:0
2. Transport: Tube vs. T-Bane
Auch wenn in London vieles zu Fuß gemacht werden kann, kommt der Besucher doch nicht daran vorbei, die Tube (sprich: tjuub), die Londoner U-Bahn, zu benutzen. Und DAS ist ein Abenteuer. Das System an sich ist simpel genug und ähnelt dem in allen anderen Städten: Es gibt verschiedene Linien, hier in Oslo haben sie Nummern, in London heißen sie u.a. Central Line oder District Line, Hammersmith&City oder Piccadilly. Unser Hotel lag in der Nähe von gleich zwei Stationen: Bayswater und Queensway. Die letztere ist Teil der Central Line und brachte uns in nur wenigen Minuten in die Innenstadt. In London wie in Oslo gibt es aufladbare Plastikkarten, die das Papierticket ersetzen und sehr praktisch sind. Die Londoner Oyster-Card liegt nun also hier in Oslo und wartet auf ihren nächsten Einsatz. So weit, so gut und so ähnlich sind sich die beiden Städte. Aber dann kommt der riesige Unterschied: Die T-Bane ist eine angenehme, saubere Transportmöglichkeit mit Sitzplätzen. Die Londoner Tube ist ein Stresscontainer. Eine Sardinenbüchse auf Schienen. Eine Zumutung! Zu viele Passagiere wollen in zu wenig Waggons transportiert werden, es wird geschubst und gedrängelt und geschubst und gedrängelt. Und das bei den höflichen Briten! Der Punkt geht in diesem Fall ganz eindeutig nach Oslo!
London – Oslo 1:1
3. Vegetarisches Essen
Heaven is a place on earth, war unser erster Gedanke im Manna, einem wunderbaren Restaurant im Londoner Stadtteil Primrose Hill. Da gab es vegetarische Würstchen mit Fenchelkartoffelmus, Kroketten aus Peperoni-Cashew-Käse oder Artischockenherzen gefüllt mit Ricotta. Eine ganze Speisekarte voller vegetarischer Köstlichkeiten – und das war nur eines der zahlreichen rein vegetarischen Restaurants in der Stadt. Anstatt wie immer zum Inder zu gehen oder zu Khrishnas Cuisine hatten wir in London eine Auswahl von mindestens zehn Restaurants. Da fühlt man sich doch gleich als normaler Mensch und nicht als Aussatz der fleischessenden Gesellschaft. UND geschmeckt hat es auch noch im Manna! Empfehlung an alle, die in London abends nett essen gehen wollen: Fahrt in den Norden und genießt die nette Atmosphäre.
London – Oslo 2:1
4. Kultur: National Gallery vs. Nationalgaleriet
Muss ich natürlich aufführen, obwohl der Vergleich hier schon fast ungerecht ist. Aber dann auch wieder nicht, schließlich brüstet sich Oslo an mehr als einer Gelegenheit damit, das neue New York oder London zu sein. Im Kulturbereich kann ich dem ein entschiedenes „Nein!“ entgegensetzen. Die Anzahl und Qualität der Theater allein reicht dafür schon aus. Die norwegische Nationalgaleriet würde auf eine Etage der National Gallery passen, von den architektonischen Highlights der britischen Hauptstadt ganz abgesehen. Wo in London die Luft kreativ vibriert, weht in Oslo ein kreativer, aber provinzieller Frühlingshauch.
London – Oslo 3:1
5. Preise
Ich habe Hunter Gummistiefel gekauft für 500 NOK!!!! In London! 500!!!! Das verstehen jetzt nur die Leser aus Oslo, wo diese beliebten Plastikschuhe für sagenhafte 1500 bis 1700 NOK über den Ladentisch gehen. Und das ist nur ein Beispiel für das Ungleichgewicht zwischen Preisen in Norwegen und …. naja, allen anderen Ländern eigentlich. Oslo wurde erneut zur teuersten Stadt der Welt gekürt. In London einkaufen zu gehen, das war schon ein Urlaub an sich. Auf einmal haben Dinge wieder angemessene Preise. Es geht gar nicht so sehr darum, dass wir in Norwegen sehr viel mehr verdienen als in anderen Ländern. Es geht darum, dass die Flasche Mineralwasser in Oslo 2,- Euro kostet und die Salatgurke auch. Mit einem norwegischen Gehalt im Ausland zu leben, das wäre klasse!
London – Oslo 4:1
6. Bevölkerung
Zurück in Oslo hatte ich nach vier Tagen zum ersten Mal wieder das Gefühl durchatmen zu können. Platz um mich herum zu haben. In London ist immer irgendwo irgendwer. Ich finde das am ersten Tag absolut wunderbar, lasse mich gern mitreißen im Menschenstrom und habe das Gefühl, meinen Energiespeicher aufzutanken in dieser sich bewegenden Menschenmasse. Danach beginnt es mich zu stören. Am liebsten hätte ich immer, ganz in Dirty Dancing-Manier, gerufen: „Das hier ist mein Tanzbereich und das ist deiner, du kommst nicht in meinen und ich nicht in deinen.“ Oxford Street in London war eines unserer ersten Ziele – ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viele Menschen auf einem Haufen gesehen hatte. Und alle sind in Bewegung und alle haben es eilig. Hier in Oslo „ta vi det med ro“, wir lassen es ruhig angehen. (Obwohl viele Norweger nichts von ihrer hektischen Großstadt halten, es kommt eben immer auf die Perspektive an.) Hier bleibt man mal auf der Straße stehen, um sich zu unterhalten, hier kann man über die Karl Johan bummeln, ohne dauernd angerempelt zu werden und selbst in der täglichen Rush Hour sind die T-Bane-Eingänge passierbar. Allerdings ist die Bevölkerung in London auch unterschiedlicher als in Oslo. Gerade hier im Westen der Stadt herrscht Konformität, aber auch beim Besuch der Innenstadt ähneln sich die Menschen. In London ist alles durcheinander: Punker, Rentnerin mit rosa Haaren, Geschäftsmann im teuren Anzug, ein Priester und eine junge Mutter sitzen mir gegenüber in der U-Bahn und diese Vielfältigkeit macht die Stadt spannend. Aber sie ist einfach zu voll. Deswegen ein klarer Punkt für Oslo!
London – Oslo 4:2
7. Umgangsformen
In der vollen Londoner U-Bahn tritt mir ein Mann auf den Fuß, dreht sich sofort um und entschuldigt sich. Ich gucke ihn mit großen Augen an. Im Hotel öffnet man mir die Tür ins Restaurant und im Britischen Museum kommt ein junger Mann zurück, der mir die Tür vor der Nase hat zufallen lassen, öffnet sie und lächelt entschuldigend. Ich bekomme es bei so viel gutem Benehmen fast mit der Angst zu tun. Hier in Oslo ist das anders. Immer noch habe ich nicht genau verstanden, warum, Janteloven hin oder her. Für mich ist und bleibt es unhöflich, eine Tür zufallen zu lassen oder seinen Sitzplatz nicht anzubieten, obwohl eine ältere Dame neben mir steht. Vielen Norwegern fällt das gar nicht auf, oder sie empfinden höfliche Gesten als aufdringlich. In London hatte ich endlich wieder das Gefühl, in der, für mich, normalen Welt zu sein.
London – Oslo 5:2
8. Lebensgefühl
Der elektrische Schock in London hat zwei Tage angehalten, danach habe ich die Stadt als anstrengend empfunden. Klar, wir waren auch fast 14 Stunden täglich unterwegs sind von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gewandert und von Café zu Café. Im Hyde Park konnten wir Luft schnappen und den Trubel vergessen und vor Picassos Sonnenblumen zu stehen war genauso ein wunderbarer Moment, wie den Gottesdienst in der St. Paul’s Cathedrale mitzuerleben. Aber hier in Oslo fühle ich mich besser, gesünder irgendwie, auch wenn das eine komische Beschreibung ist – vielleicht versteht es ja irgendwer? Es ist immer ein Unterschied, Tourist oder Einwohner zu sein, klar, aber ich denke, ich würde in London länger brauchen, um mich einzugewöhnen als hier in der gemütlichen Stadt am Fjord.
London – Oslo 5:3
9. Sport
Ich sage nur: Wimbledon. WIMBLEDON! W I M B L E D O N !!!!!!! Würden wir in London wohnen, könnte ich mein alljährliches Sport-Highlight live sehen! In Oslo finden die norwegischen Tennismeisterschaften jährlich auf einer Anlage am Frognerpark statt. London bietet außerdem Premier League Football mit Chelsea und Arsenal UND, für Martin besonders wichtig, die NFL (National Football League, USA), veranstaltet immer mal wieder Spiele in der britischen Hauptstadt. Ob die Londoner selber viel Sport machen, weiß ich nicht, ich habe kaum wen gesehen. Ganz im Gegensatz zu Oslo, wo man geradezu überrannt wird von Joggern, Skiläufern oder Radfahrern. In Oslo wird sich gerne und viel bewegt und bald überträgt sich der Sportwahn auch auf die unsportlichsten Kreaturen wie mich zum Beispiel. In dieser Kategorie bin ich unentschieden und gebe beiden Städten einen Punkt. Tollen Sport zu gucken oder selber machen – da fällt die Wahl schwer.
London – Oslo 6:4
10. Natur
Der Hyde Park als Londons grüne Lunge ist eine schöne Abwechslung im Betongrau der Stadt. Kew Gardens und Hampstead Heath sind schöne Ausflugsziele und die englische countryside ist eine Reise wert. Es gibt viele Möglichkeiten, sich in der Natur zu erholen…aber…es kommt nicht an Oslo ran. Gelegen zwischen Fjord und schier unendlichen Waldgebieten, mit klaren Seen und kilometerlangen Wanderwegen ist Oslo einfach unschlagbar. Da gibt es nichts zu wollen, da gewinnt Oslo kilometerweit und wenn ich könnte, würde ich Oslo dafür glatt zwei Punkte geben.
Moment, ist doch mein Blog hier, oder?
Da kann ich machen, was ich will!!!
FREIHEIT!!!
2 Punkte für Oslos Natur. Oslo: Deux points!
Damit sieht das Endergebnis nach diesem mehr als subjektiven Vergleich wie folgt aus:
London – Oslo 6:6
Na toll, wie soll ich mich denn da entscheiden?
Muss ich ja gar nicht im Moment.
Aber vielleicht bald, denn London steht weiterhin auf der Liste unserer Wunschwohnziele. Warten wir ab, was passiert.
Das war es für heute, meine lieben internationalen Leser. Heute Abend ist Teestube und morgen Theatertag. Unser Theater-Projekt wächst und gedeiht und wird bestimmt fantastisch und deswegen schicke ich heute mal meine wöchentlichen Grüßen an eine super Gruppe, die sich voller Ideen und Spaß auf Shakespeare gestürzt hat: Astrid, Lina, Friedbert, Mandy, Erik, Christine, Christina, Isa, Birgit und Claudia. Mitte November starten wir außerdem ein Theaterprojekt an der deutschen Schule und werden mit hoffentlich lauter begeisterten Drittklässlern das diesjährige Krippenspiel einstudieren. Ich bin also mittendrin in der Kulturpädagogik – schön ist es.
Euch allen wünsche ich eine tolle Woche, fahrt oder geht mal wieder an einen neuen Ort, begegnet Euren Ängsten (wie ich auf dem Dach von St. Paul’s) und begrüßt den tristen NOvember mit einem strahlenden Lachen: „YESvember!“
Ha det bra
Ulrike