„Na, dein Blog muss aber populär sein, wenn du hier mit uns Fotografen sein darfst.“ – „Ja, klar, der wird in über 30 Ländern gelesen!“, sollte ich sagen. Aber ich nicke nur, ohne aufzublicken. Ich muss Prioritäten setzen. Und meine Priorität ist im Moment mit möglichst heilen Knochen am Aussichtspunkt anzukommen. In wenigen Minuten soll ich dort schließlich auf Königin Sonja treffen.
Hallo, meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. God fottøy, festes Schuhwerk, sollte ich zum Pressetermin in Verdens Ende mitbringen und das war ein guter Tipp.
Pressetermin hört sich gut an, oder? Ich hatte tatsächlich eine Akkreditierung für die Eröffnung des Nationalparkzentrums in Verdens Ende, dem Ende der Welt, bekommen und war darüber ähnlich erstaunt wie der oben zitierte Fotograf, mit dem ich gerade über die Felsenberge kletterte. Mit einem großen Juchzer hatte ich auf die entsprechende Email reagiert, sofort Martin informiert, der begeistert: „Roadtrip!“ jubelte, ein Auto organisierte und sich mit mir freute.
Mich hingegen plagten typisch weibliche (?) Gedanken. Praktischerweise am Freitagabend um 23 Uhr:
Was ziehe ich an???
Unten herum fiel die Entscheidung nicht schwer: „Festes Schuhwerk“ hatte ich. Aber alles darüber war ein großes Fragezeichen. Elegant? Leger? Sportlich chic? Gab es für die Presse überhaupt eine Art Dresscode? Ich meine, immerhin traf man auf die Königin und ich wollte ja nicht sofort aus dem Rahmen fallen. Ich grübelte und grübelte. Und nicht nur das: Ich googelte. Fand Bilder von anderen Gelegenheiten, bei denen die Königin auftrat wie aus dem Ei gepellt und von zahlreichen Presseleuten umgeben war, die in Schlips und Kleid ihrer Arbeit nachgingen.
Kleid und Wanderschuhe?
Nee, komm, jetzt mal ehrlich.
Am nächsten Morgen fiel die Entscheidung für schwarze Hose und blusiges Oberteil. Bei den Jacken konnte ich mich nicht entscheiden und nahm alle drei mit.
Wofür hat man ein Auto?
Um es gleich vorweg zu sagen: Die Gedanken hätte ich mir, NATÜRLICH, sparen können, denn die versammelte Presse erschien in allen möglichen Kleidervariationen: Anzug und Krawatte plus Turnschuhe, Hemdblusenkleid mit Sandalen, Caprihose mit T-Shirt und Birkenstock.
Anzug und Krawatte war eine edle, aber schlechte Wahl für das wunderbare Sommerwetter, das am Samstag in Tjøme herrschte. Strahlender Sonnenschein begrüßte uns, als wir nach knapp zweistündiger Fahrt über die Parkplatzwiese am Ende der Welt hoppelten. Nervlich bereits etwas angeschlagen, denn Gesa fand Autofahren blöd und hatte dies sehr deutlich gemacht. Kaum raus aus dem Auto war ihre – und damit unsere – Laune wieder hervorragend und wir spazierten einen kleinen Pfad entlang Richtung Nationalpark. Und waren bei unserer Ankunft wieder begeistert.
Der Færder Nationalpark (Broschüre in norw.) ist ein wunderschöner Schärengarten an der Südküste des Landes. Ich verbinde mit Schären, diesen kleinen und größeren felsigen Inseln, vor allem Sommer und Ferien – nicht, weil wir dort immer Urlaub gemacht hätten, sondern weil Ferien auf Saltkrokan meine jährliche Sommerbeginn-Rituallektüre ist. Und Pelle und seine Familie, Tjorven und ihr Hund Bootsmann leben inmitten des schwedischen Schärengartens. Und ähnlich wie beim Lesen des Buches strahle ich beim Anblick der norwegischen Schären mit der Sonne um die Wette.
Was für ein königlicher Tag.
Das gläserne Panoramarondell des neu zu eröffnenden Nationalparkzentrums liegt auf einer kleinen Anhöhe. Direkt davor eine kleine Bühne mit dem typischen roten Band, das später von Königin Sonja durchschnitten werden soll. Hier soll das pressemøte, das Pressetreffen, in wenigen Minuten stattfinden. Mit Kamera und Block bewaffnet mache ich mich auf den Weg.
Und werde plötzlich ganz nervös.
Na, also, sowas Blödes. Was soll das denn jetzt?
Ich drehe mich um, sehe Martin und Gesa winken und gleich geht es besser und die letzten Meter bis zur Terrasse erledige ich mit schwungvollem Selbstbewusstsein.
Die Presseeinführung ist kurz, nett und informativ. Mir wird erklärt, wie die Königin ankommt (mit dem Boot), wo die Presse dann sein wird (auf einem kleinen Felsvorsprung direkt über dem Hafen). Dann macht sich die Pressegruppe auf den Rückweg zur Terrasse (schnell), die die Königin dann wenige Minuten später erreichen wird. Dann folgt eine Rede des Bürgermeisters und die Königin schneidet das rote Band durch. Es folgen Gesang und Gedicht von Hanne Krogh. Während des Liedes verschwindet die Presse im Inneren des neuen Zentrums und klettert die Treppe hinauf zum Panoramaraum. Hier wird die Königin kurz darauf (im Gegenlicht) mit Bürgermeister und Architekt erscheinen. Während der (wahrscheinlich) interessanten Ausführungen des Architekten schleicht die Pressegruppe hinunter in die Empfangs-/Ausstellungshalle. Hier wird die Königin einige Minuten später das Künstlerduo Prestgaard/Andersen begrüßen, die für die Eröffnungsausstellung verantwortlich sind. Danach macht sich die Presse auf den Weg zum etwas entfernt gelegenen Aussichtspunkt („dort hinten der Felsen mit der Treppe“ – Äh, welcher Felsen? Hier sind doch nur….Egal, ich werde es später sehen.“). Die Königin wird dort kurze Zeit später auf zwei Kinder mit selbstgebastelten Drachen treffen. Um 14.10 verlässt die Königin Verdens Ende wieder mit dem Boot.
Ja, und so ist es dann passiert. Und alles lief gut: Ich schloss mich einfach „den Kollegen“, unter Führung des königlichen Hoffotografen, an, der ein untrügliches Gespür für das richtige Timing hatte und uns immer früh genug entweder irgendwo weg oder irgendwo hin lotste.
Und die Königin? Perfekt. Freundlich. Interessiert. Professionell. Und irgendwie doch ganz normal. Eine sommerlich gestimmte Menschenmasse aus Einheimischen und Touristen hatte sich an Verdens Ende versammelt, manche kamen per Boot, andere mit dem Klappstuhl unter dem Arm. Hier sang ein Chor, dort wurden Drachen gebastelt, ein Wikingerboot mit entsprechend gekleideter Besatzung lag am Kai. Als die Königin ankam, gab es ein großes Hallo und die Freude schien auf beiden Seiten gleich groß zu sein.
(Jaja, ich weiß schon, für die eine war es wahrscheinlich nur ein weiterer Termin, für die anderen eine willkommene Abwechslung des Alltags – aber die Königin wirkte, als gefalle es ihr gerade jetzt, gerade hier zu sein.)
Während wir den Berg Richtung Presseterrasse hinaufhechteten, spazierte die Königin, im Gespräch mit Bürgermeister John Martinussen, an den winkenden Besuchern vorbei.
Und kam immer näher.
Und immer näher.
Und dann war sie fast genau vor meiner Linse.
Coooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooool!
Versteht mich nicht falsch: Ich bin ganz professionell geblieben. Habe weder gewunken noch „Hipp hipp hurrah!“ geschrieen. Bin stehen geblieben, solange die Königin stand (obwohl die Gartenmöbel auf der Terrasse sehr gemütlich aussahen und die Rede des Bürgermeisters durch einen technischen Defekt für längere Zeit unterbrochen war), bin aus dem Weg gegangen, wenn die Profis Fotos gemacht haben und wirkte bestimmt total lässig.
Aber innendrin.
Innendrin ging es immer nur: „ Coool, da ist die Königin, die Königin, die Königin. Die KÖNIGIN!!!! Cooooooooooooooooooooooooooool!“
Ja. Ich bin so. Peinlich. Ein hoffnungsloser Fall. Ich sollte Tabletten nehmen.
DIE KÖNIGIN!!!!!!!!
Aber das eben nur innendrin.
Das Programm spulte sich weiterhin so ab, wie oben berichtet. Und die in Weiß-Pink gekleidete Monarchin zeigte sich interessiert und ignorierte die Presse. Auch das gehört wohl dazu. Nach dem Besuch des Zentrums machte sich die Pressegruppe auf dem Weg zum Aussichtspunkt.
Oh weh.
Dass Norweger ein anderes Verhältnis zum Wandern und dem Leben in der Natur hatten, war mir bereits bewusst. Aber wie anders es tatsächlich war, wird mir erst klar, als sich der gesamte Pressetrupp ohne zu zögern über Felsen und Findlinge und durch Gebüsche und Pfützen kämpfte, um zum vereinbarten Aussichtspunkt zu kommen. „Kämpfen“ trifft hier allerdings mehr auf mich zu, die stumm beobachtete, wie sich die Kommunikationschefin der Vestfold Kommune ohne zu zögern ihre Sandalen auszog und barfuß über die Felsen kletterte. Selbst der korpulente Hoffotograf schwitzte und kletterte ohne Kommentar.
Was die können, kann ich auch, nehme ich mir vor und schweige zu unserer Kletterpartie. Kein Wort wird dazu über meine Lippen kommen, beschließe ich, als ich keuchend, aber mit heilen Knochen, auf einer Riesenschäre ankomme.
Dann drehe ich mich um.
Und erblicke die Königin, die sich gerade auf den selben Weg macht.
In Ballerinas.
Da ist es mit meiner Beherrschung vorbei: „Die Königin geht den Weg, den WIR gerade gegangen sind??????? Das glaube ich nicht!!!!!“
(Jetzt mal im Ernst, sie ist 78 und in Ballerinas. – Da ist die Frage jawohl erlaubt.)
Oh. Oh.
Ich treffe auf peinlich berührte Ignoranz.
Nee, nichts da, Kollegen.
Ich wiederhole meine Frage.
Endlich erbarmt sich die Dame neben mir und sagt freundlich, dass, nun ja, die Königin eben eine sehr sportliche Frau sei, begeisterte Orientierungsläuferin und bekannt für ihre Mobilität.
78!
BALLERINAS!
Niemand versteht meine Irritation. Aber manche Blicke sind eindeutig: Spricht Englisch, schreibt für einen deutschen Blog und hat eine Kinderkamera. Sowas musste ja von ihr kommen.
HEY!
Ohne einen Schweißtropfen auf der Stirn kommt Königin Sonja samt Assistentin (heißen die Hofdamen oder Zofen oder….???), politischem Begleitgefolge und Parkführer auf dem Felsen an. Sie scherzt mit den beiden blumenkranzgeschmückten Mädchen, lauscht interessiert den Ausführungen über die Geologie der Schären und wendet sich schließlich für einige Minuten uns, dem Presseteam, zu.
Während die anderen schlaue Fragen stelle, konzentriere ich mich auf das Wesentliche: Ein halb-echtes Selfie mit der Königin zu ergattern.
HA!!
Tja und dann ist alles vorbei. Gemeinsam klettern wir alle den Weg zurück Richtung Nationalparkzentrum. Die Königin erhält ein Abschiedsgeschenk, lässt sich Blumen und Handtasche zurückgeben und begibt sich Richtung Hafen. Um 14.30 (20 Minuten zu spät!) verlässt das königliche Boot den Hafen von Verdens Ende.
Was für ein Tag!
Kurze Zeit später öffnet das Færder Nationalparkzentrum seine Türen für die Öffentlichkeit. Ich werfe einen letzten Blick über diesen wunderbaren Flecken Natur und nehme mir vor, bald wieder zu kommen. – Auch ganz ohne königlichen Besuch.
***
So, das war es für heute, meine lieben Leser. Egal, ob Ihr auf Urlaub in Norwegen seid oder hier lebt: Lasst Euch den Nationalpark und die wunderschöne Schärenlandschaft am Ende der Welt nicht entgehen. Ich bin froh und dankbar, dass mir dieser tolle Samstag nicht entgangen ist und dass ich so nah am Geschehen sein konnte.
Wie soll ich das bloß toppen???
Ich wünsche Euch allen eine tolle Woche, genießt den Sommer und falls der sich gerade versteckt: Eis schmeckt immer! Wir lesen uns wieder am Freitag, bis dahin,
ha det godt,
Ulrike