@thepartyworks
Seite 599, Seite 600 und…fertig. Geschafft! Toll! Applaus!!!! Nein, ich habe kein Buch geschrieben. Ich habe mein erstes Buch auf Norwegisch gelesen. Von vorne bis hinten. – Das wurde ja auch mal Zeit.
Hallo, meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier heute treffen. Das erste norwegische Buch ist also geschafft – ein Meilenstein. Nach nur 18 Monaten….hüstel.
Ich habe sogar fast alles verstanden. Nun ja, zugegeben, ich dachte eigentlich bis Seite 400, es handle sich um eine Komödie, bis man dann plötzlich den einen der sechs Hauptfiguren mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne fand. Da war mir irgendwas entgangen. Hätte ich das Buch in Deutsch oder Englisch gelesen, wären mir früh genug bestimmte Nuancen aufgefallen, eine Art dunkler Schatten, der sich über Matt, den Selbstmörder, legt und ich hätte geahnt: Oh, oh, da kommt noch was.
In der norwegischen Ausgabe: Nö, alles fein, bisschen Ärger mit dem Job hatte er und plötzlich – zack, Badewanne.
Er hat überlebt, nur zu Eurer Beruhigung.
Für mich ist es immer spannend, ein Buch zu lesen, dessen Sprache ich nicht perfekt kann. Zum einen ist es erstaunlich, wie viel man von einer Geschichte erfährt, auch wenn nicht alle Wörter klar sind. Das Hirn bastelt sich die richtigen Zusammenhänge zusammen. Ich schränke ein: Es kommt auf das Buch an. James Joyce oder Marcel Proust fallen unter Garantie aus meinem Schema. Aber für meine heißgeliebten Chick-Lits passt es.
Chick-Lits, für alle, die sich eher mit anspruchsvoller Literatur beschäftigen, steht für Chick Literature, Küken-Literatur, eine bestimmte Art von Büchern von, für und über Frauen. (Obwohl Männer sie auch mal lesen sollten. Als Bildungsroman.) Bridget Jones gehört dazu, Der Teufel trägt Prada, Sex in the City. Meine Chick-Lit-Göttin ist Sophie Kinsella, die mit den Romanen über die Shopaholic Becky Bloomwood bekannt wurde. Die Bücher sind allerdings nicht so mein Ding – Frauen, die sinnlos Geld ausgeben treiben mich auf die Palme. Aber ihre anderen Bücher sind der Hit! The Undomestic goddess zum Beispiel. Zum Schreien. Eine Anwältin verliert ihren Job, flüchtet aus dem Büro und wird in einem Vorort-Haus, an dem sie klingelt um ein Glas Wasser zu haben, für eine Bewerberin gehalten auf die Stelle als Hausmädchen. Aus schierem Wahn nimmt sie die Stelle an. Das Problem: Sie hat keine Ahnung von Hausarbeit. Das Buch ist mein Allheilmittel gegen schlechte Laune. Sophie Kinsella ist einfach die Beste. Das muss mal gesagt werden.
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Um zurück auf das eigentliche Thema zu kommen: Diese leichte Literatur macht es einfach, eine neue Sprache zu verstehen. Man ist gut unterhalten und bildet sich auch noch sprachlich weiter, ist doch toll! Ich schlage nichts nach im Wörterbuch, meistens kommen die Wörter, die ich nicht sofort verstehe, in einem anderen Zusammenhang wieder auf und dann werden sie plötzlich klar. Mit dem Wörterbuch auf dem Schoß zu lesen, würde mir keinen Spaß machen. Ich will mich durch den dichten Wald von Worten kämpfen und plötzlich einen Weg finden. Das macht einfach mehr Spaß.
Im Norwegischen ist dieser Kampf für Deutsche einfacher als beispielsweise im Französischen, finde ich. Habt Ihr Lust auf einen Vergleich? Ich ja. Also. Durch schieren Zufall stehen in meinem Bücherregal die französische und norwegische Version von Katharina Hagenas‘ Buch Der Geschmack von Apfelkernen. Die französische Version bekam ich geschenkt, das norwegische Buch habe ich beim Goethe-Institut gewonnen. Irgendwer scheint zu wollen, dass ich das Buch aber auch wirklich lese.
Hier nun also der erste Satz der französischen Ausgabe: «Tante Anna est morte à seize ans d`une pneumonie qui n’a pas guéri parce que la malade avait le cœur brisé et qu’on ne connaissait pas encore la pénicilline. »
Im Norwegischen heißt es : «Tante Anna døde seksten år gammel av lungebetennelse, som på grunn av et knust hjerte og det ennå uoppdagede penicillinet ikke kunne helbredes. ».
Entscheidet Ihr. – So oder so starb Tante Anna im Alter von 16 Jahren an Lungenentzündung, die nicht geheilt werden konnte, weil sie auch an einem gebrochenen Herzen litt und es noch kein Penicillin gab. (Wie Ihr merkt, steht die deutsche Originalausgabe NICHT in meinem Regal. Wer sie hat, kann den Satz gerne im Original als Kommentar hinterlassen.)
Manchmal komme ich mir auch wie ein Detektiv bei der Spurensicherung vor. Da liest man ein Wort und das Hirn sagt: „Kennen wir nicht,“ und will weiterlesen. Aber irgendetwas an dem Wort sieht bekannt aus, also nochmal genau hingucken. Beispielsweise: Syklubbvenninnene. Sieht lustig aus, ich habe drüber gelesen, aber mich stoppte der Gedanke: „Klubb? Was für ein Klubb?“ Also wieder zurück. Sy (å sy) heißt Nähen…also ein Nähklub? Und Venninnene erinnerte mich an venn, das norwegische Wort für Freund, nur eben in der weiblichen Mehrzahlform. Und schwupps entstand: Nähklubfreundinnen. Seht Ihr? Echte Detektivarbeit 🙂
Irgendwann höre ich aber im Laufe der Geschichte damit auf und lasse mich vom Fluss der Wörter mittreiben. Und der ist in jeder Sprache anders. Norwegisch, besser gesagt Bokmål, kommt mir noch sehr sperrig vor. In Nynorsk soll das anders sein, hat man mir gesagt und das nächste Buch auf meiner Liste wird in dieser zweiten norwegischen Sprachform sein. Und auch mal von einem norwegischen Autor. Ich bin gespannt. Drei Buchläden plus die Stadtteilbücherei sind in meiner Nähe, da findet sich immer ein gutes Buch!
Das war es schon für heute meine lieben Leser, ich hoffe, Ihr hattet Spaß an dieser eher trockenen Exkursion in mein Buchregal. Es regnet wie in Strömen und das Wetter lädt zum Schmökern auf dem Sofa ein. Leider muss ich noch ein bisschen arbeiten, aber danach mache ich mir einen Tee und lese. Und lasse langsam das Wochenende einläuten.
Hier in Oslo geht der Alltag wieder los, die Straßen sind wieder voller Menschen: Job, Uni und Schule starten. Am Donnerstag landet hoher Besuch am Flughafen Gardermoen und ich schicke meine wöchentlichen Grüße an meine Mutter mit ganz viel Vorfreude. Bring‘ Sonne mit!!!
Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche, probiert das Fremdlesen einfach mal aus, bleibt neugierig und genießt die letzten Sommertage. Falls Ihr noch mehr Lesestoff braucht, kommt hier mein neuer Artikel fürs Goethe-Institut Oslo: http://www.goethe.de/ins/no/osl/kul/bib/de11456361.htm
Ha det bra,
(Geschafft!!!)
Ulrike
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