Eine Tour durch Oslos Kaffeewelt ODER Goodbye Decaf, I am flying so high……..

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Ganz Norwegen steht unter Koffein. Laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IPSOS von 2013 trinken neun von zehn Norwegern mehrere Tassen Kaffee täglich – die unglaubliche Summe von 11 Millionen Tassen pro Tag. Kaffee gehört in Norwegen zum Basiselement des alltäglichen Lebens und allein in meiner Nachbarschaft befinden sich sechs verschiedene Kaffeeläden.

Aber die sind bald out.

Sind nämlich Läden der Second Coffee Wave.

Der Kenner bewegt sich aber in der Third Wave.

Hallo meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Heute wird es wieder mal kulinarisch: Barista Isabella hat mich mitgenommen auf Kaffeetour durch Oslo und ich sage Euch – das war spannend. Und lustig. Und blutdrucksteigernd. Auf geht’s!

Second Wave? Third Wave? „Bidde?“ höre ich Euch fragen. Jaha, ich habe viel gelernt in der letzten Woche. Der Konsum von Kaffee wird mittlerweile in drei Phasen eingeteilt: Die erste Phase (neudeutsch: First Wave) entstand im 20. Jahrhundert so ungefähr nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als es Gefrierkaffee möglich machte, das heiße Gesöff wirklich fast überall mal schnell zuzubereiten. Instant, Express, Zackzack, Wasser auf die brauen Knödel und fertig. Ab den 1970ern entstand eine neue Kaffeekultur: Inspiriert vom omnipräsenten Starbucks schossen Kaffeeketten in den kommenden Jahrzehnten aus dem Asphalt wie Pilze aus dem feuchten Waldboden. Und nicht nur die Ketten waren neu – auch ihr zungenbrechendes Angebot. Wir gewöhnten uns daran, ungefähr fünf Minuten für eine Bestellung zu benötigen: „Ich hätte gern einen Triple-Grande-Extra-Foam-No-Fat-Super-Hot-Soja Latte. – To go.“ Es gehörte Mut dazu, in einem hippen Starbucks in Berlin Mitte zu sagen: „Einen Kaffee, bitte.“

Kaffee wurde zum Sinnbild für Globalisierung und Homogenität. Mein Latte Macchiato schmeckte in Vancouver wie in Hannover und fast gaukelte mir das identische Ambiente ein Gefühl von Heimat vor. Doch in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam es zur Rebellion gegen den Immer-Gleichen-Kaffeetrend: Im amerikanischen Portland begann, etwa zeitgleich mit dem Slow-Food-Movement, die dritte Phase der Kaffeekultur. Weg von der Homogenität, zurück zu Individualität, Qualität und Handwerk. Und wie bei Renaissance-Bewegungen verpflichtend, tauchte plötzlich ein altbekanntes Utensil auf. Ein Stück meiner frühesten Kindheit, eine Erinnerung an die Küche meiner Oma: Der Porzellan-Filter.

Quelle: eBay

Quelle: eBay

„Es lebe der Brühkaffee!“ hieß das neue (alte) Motto. Weg mit den Espressomaschinen, hin zur Handarbeit. Kaffeebohnen, Kaffeemühle, Tasse, Filter, Wasserkanne – warten.

Als Isa mir bei einem Treffen von den drei Kaffeephasen erzählte und wie „in“ Brühkaffee wieder ist, konnte ich es kaum glauben. Kein Wunder: Mein Kaffeebedarf wird seit Jahren von Starbucks (außer Haus) und meiner Senseo-Kaffeemaschine Luigi (im Haus) gedeckt. Und nicht nur das: Ich nehme Milch in meinen Kaffee. Und das ist immer noch nicht das Schlimmste: Ich trinke entkoffeinierten Kaffee. Verständlich also, dass die Kaffeewelt ihre Neuheiten vor mir Bohnenbanausin versteckt hielt. Aber nun war meine Neugierde geweckt. Isas Begeisterung für Kaffee wirkte so belebend wie drei Tassen Brühkaffee und wir verabredeten uns für eine erste Kaffeetour in Oslo.

Oslo bietet, wie schon oft erzählt, an jeder Ecke einen oder mehrere Kaffeeläden. Ich wette, sie könnten am Bogstadveien, hier bei uns um die Ecke, noch zehn Läden eröffnen und jeder wäre gut besucht, ohne dass die alten Läden Kundschaft verlören. Am Samstag nach 10.30 Uhr einen Sitzplatz im Café zu bekommen, ist, außer in den Ferien, aussichtslos. Norweger und Bewohner der norwegischen Hauptstadt lieben Kaffee!

Das wusste ich also.

Was ich nicht wusste, war, wie viele unabhängige, kleine Kaffeeläden es in Oslo gibt. Wahre Kaffeeoasen,  Schlaraffenland für Kaffeeconnoisseure und Kaffeeneulinge. Isa schickte mir zur Vorbereitung eine Liste mit Vorschlägen, auf die ich ratlos starrte und nicht einen Namen kannte. Hier das Programm unserer ersten Tour unter dem Motto: Brühkaffee.

1. Mocca Kaffebar, Frogner

2. Solberg&Hansen, Mathallen, Grünerløkka

3. Tim Wendelboe, Grünerløkka

4. Chill Out, Grünerløkka

Zusammen mit Martin mache ich mich an einem Mittwochmorgen also auf den Weg Richtung Brühkaffee. Besorgt, dass mein Körper nach zwei Läden schlapp machen würde, hatten wir vereinbart, uns die Tassen (und damit das Koffein) zu teilen. Fast wären wir an dem unscheinbaren Laden in der Niels Juels gate vorbeigelaufen, hätte ich nicht zufällig durch die Scheibe und direkt auf Isa und Miriam, die Vierte im Bunde unseres Kaffeeklatsches, geguckt. Minimalismus siegt, scheint der Slogan der Mocca Kaffebar zu sein. Nichts soll ablenken vom Hauptdarsteller Kaffee. Gemütlich ist anders, bemerke ich mit Blick auf die weißgekachelten Wände. – „Was wollen wir trinken?“ lenkt Isa meinen Blick weg von den Schlachthauskacheln und hin zum Wesentlichen.  Ratlos betrachte ich die simple Karte, auf der vier Kaffeesorten samt Herkunftsland vorgeschlagen werden. Daneben eine Karte, die mir anbietet, meinen Kaffee im Woodneck, Kalita oder Chemex gebrüht zu bekommen.

Äh.

Hilfe?

Ich sage nur Senseo.

Isa übernimmt dankeswerterweise das Ruder und entscheidet sich für: Den brasilianischen Sitio da Torre im Woodneck und den kenianischen Kangocha im Kalita-Filter. Und dann beginnt etwas, das ich so seit den Küchenzeiten meiner Oma nicht mehr gesehen hatte. Es wird gebrüht. Nun gab es auch bei meiner Oma eine feste Regel: Vier gehäufte Löffel auf eine Kanne und immer nur so viel Wasser in den Filter gießen, dass das Pulver bedeckt ist. War zwar nur Pi mal Daumen, hat aber funktioniert. Nichts davon im Mocca: Der sehr nette Barista stellt als erstes die Kanne auf eine Waage. Wiegt dann exakt 21 Gramm Kaffee ab, häuft  sie in den Kalita-Filter und gießt langsam heißes (NICHT kochendes) Wasser darauf, während er gleichzeitig seine Brüh-Uhr konsultiert. Kaffee kochen in der Third Wave ist eine Wissenschaft. Jede Bohne, jede Wasserart, jeder Filter, jede Minute Brühzeit ist variabel und ermöglicht unzählige verschiedene Geschmacksmöglichkeiten.

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Ich bin fasziniert von der Hingabe und Perfektion, frage mich aber, ob ich dafür jeden Morgen Geduld hätte. (Aber was weiß ich schon…) Wir haben viel Zeit uns zu unterhalten, denn die Third Wave heißt auch Slow-Coffee-Movement: Es dauert eben, bis drei Tassen Wasser durch einen Filter mit nur drei kleinen Löchern oder einen Flanellfilter gelaufen sind. Was aber gleich da ist, ist der Geruch. Runder, reiner Kaffeegeruch. Um den Geschmack nicht zu verderben, wird weder Milch noch Zucker zum Brühkaffee angeboten, eine für mich ungewöhnliche Situation. Aber klar: Der nette Barista brüht sich hier nicht den Wolf, damit ich das wertvolle Resultat dann rücksichtslos verpansche. Im Mocca brühen, nebenbei gesagt, nicht IRGENDWELCHE Barista: Oslos Stadtmeister Rasmus Helgebostad sorgt für Kaffeegenuss im Mocca und der Schwesterbar Java. Auch die zwei von Isa ausgesuchten Filtermethoden gehören zu den momentan bekanntesten ihrer Zunft: Woodneck ist ein elegantes Glasgefäß mit hölzernem Kragen, in dessen Öffnung ein Flanell-Filter gehängt wird, der für besseren Geschmack als ein Papierfilter sorgt. Kalita erinnert an die Porzellanfilter meiner Oma, nur aus Glas. (Vorne rechts im Bild.)

Als die fertigen Kaffees in Glaskannen an unseren Tisch gebracht werden, fällt mir als allererstes auf, wie dünn der Kaffee aussieht. Blümchenkaffee würde meine Mutter das nennen – so dünn, dass man die Blümchendekoration des Kaffeegeschirrs dadurch erkennt. Zögernd nehme ich einen ersten Schluck….

Wow.

SO kann Kaffee schmecken?

Probeweise schiebe ich gleich einen Schluck vom kenianischen Kaffee hinterher – wow…völlig anders. Schmeckte der Brasilianer noch schwer und erdig, kommt der Kaffee aus Kenia viel fruchtiger daher. Fast schmecke ich Zitronen oder Orangen. (Und selbst jetzt, beim Schreiben, erinnern sich meine Geschmacksnerven…) Begeistert trinke ich, aber immer vorsichtig, wer weiß was das Koffein aus mir macht ;). Ich frage mich, ob sie hier auch entkoffeinierten Kaffee anbieten. Auf der Karte ist nichts zu finden, aber fragen schadet ja nicht. Der nette Barista zuckt kurz zusammen, als ich meine Frage stelle. Oh oh. Nein, entkoffeinierten Kaffee böten sie hier nicht an, der würde ihrem Anspruch nach Qualität nicht gerecht. Er deutet meine hochgeschnellten Augenbrauen richtig und fügt hinzu, er verstände natürlich, warum Kunden sich für diese Art von Kaffee entscheiden. Es sei aber so: Um Kaffee vom Koffein zu trennen, werden die Bohnen einem langwierigen chemischen Prozess ausgesetzt, der nicht nur das Koffein, sondern auch den ureigenen Geschmack der Bohnen verschwinden ließe. Dadurch sei der Kaffee qualitativ minderwertig – und deswegen in der Mocca Kaffebar nicht zu finden. Ich nicke zustimmend und gebe ganz den Anschein, als würde ich sofort die „Stoppt-die-Produktion-von-kastriertem-Kaffee“- Bewegung ins Leben rufen. Von den zehn Paketen Decaf-Pads in meinem Küchenschrank erzähle ich natürlich nichts.

Gestärkt von dieser ersten Kaffeerunde besuchen wir noch den Nachbarladen, in dem die Mocca Bar Kaffeefilter für den Hausgebrauch verkauft. Die Auswahl erschlägt mich fast und während Isa mit strahlenden Augen und viel Fachwissen von Kanne zu Kanne geht, mache ich Fotos.

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Unser Weg führt weiter nach Grünerløkka, Zentrum der Kaffeebewegung in der norwegischen Hauptstadt. Erstes Ziel: Die Mathalle, eine Art überdachter Markt mit köstlichen Bäckereien, Obst- und Fischgeschäften, einer Brauerei und – einem Kaffeeladen. Solberg&Hansen lädt uns an gemütliche Bartische mit österlicher Dekoration ein. Isa entscheidet sich für einen Kaffee aus Äthiopien, Heimatland des Kaffees, dessen Namen ich allerdings so schluderig aufgeschrieben habe, dass ich ihn jetzt…was soll das heißen??….Fude???…ich google mal schnell…nee, gibt es nicht. Mal ehrlich, Sauklaue…..

Oh, Moment!!!!

Ha! Es lebe mein Smartphone….da habe ich doch glatt die Label der beiden Kaffeesorten fotografiert…ich Fuchs!

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Wir probieren also TADE aus Äthiopien, einen fruchtigen Kaffee mit einer Note von Bergamotte. Und Armando Muñoz, einen komplexen und saftigen Kolumbianer. Zubereitet mit dem Kalita-Filter. Der afrikanische Kaffee ist köstlich und leicht vom Südamerikaner zu unterscheiden, beide schmecken komplett anders als die ersten beiden Kaffeesorten im Mocca. Ich lerne, dass Kaffee unterschieden wird nach Frische, Intensität und Süße, nach Herkunftsort, Bohnenart und Herstellungsprozess. Mein Kopf beginnt zu rauchen, mein Herz und Kreislauf sind allerdings immer noch bester Dinge. Na gut, mehr als ein paar Schlucke pro Sorte probiere ich auch nicht, die sich stapelnden Tassen geben ein falsches Bild ab.

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(Mathalle: Martin und Isa)

Am Ende versorgen wir uns beim Bäcker nebenan mit köstlichen Rundstykken (belegten Brötchen) und machen uns fröhlich kauend auf zum Kaffeemekka Oslos: Tim Wendelboe. Gerühmt in der New York Times als eine der Top Ten Kaffeeläden/Röstereien weltweit ist der Norweger in den letzten Jahren nicht nur in Oslo bekannt geworden. Der kleine Laden in der Grüners gate mit insgesamt fünf Sitzmöglichkeiten ermöglicht, so Oliver Strand von der NY Times, „…(that) every cup of coffee and every bag of beans can be executed at the highest level. In fact, all the coffee is roasted by either Tim Wendelboe or his sidekick Tim Varney, and both work shifts behind the bar. It feels like a neighborhood shop, but it’s run like a Michelin-starred restaurant.”

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Geht völlig an mir vorbei das Ganze. Ich finde den Laden kundenunfreundlich. Ich kaufe entweder einen Coffee to go oder einen Coffee not to go und wenn ich not to go kaufe, dann will ich auch einen Platz haben. Bei Tim Wendelboe gibt es aber nur die Alternative to go oder to stand, denn die fünf Stühle sind besetzt. Gut, dann stehen wir also. Hat ja auch was. Hm, irgendwie fühle ich mich hier unwohl. So, als käme gleich ein unauffällig angezogener Kaffeetester und würde mich auffordern, schwierige Fragen über Kaffee zu beantworten.  Per Aeropress, einer Presskaffeemethode ähnlich den Bodum-Kannen, wird unser Kaffee zubereitet und auf hübsch angerichteten Tabletts serviert. Der Kaffee ist köstlich, aber meine Geschmacksnerven wollen langsam nicht mehr. Außerdem kann ich nicht mehr stehen. Relativ schnell gehen wir also. Das war mein zweiter, erfolgloser Besuch bei Tim Wendelboe. Schade. Aber aller guten Dinge sind drei! Nächstes Mal kommt der Durchbruch!! Beissen wir lieber nochmal in die leckeren Brötchen!!

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Abschließen wollen wir unsere Kaffeetour durch Oslo in einem Laden für Reiseausstattung. Die Beschreibung des vietnamesischen Kaffees durch Isa hat mich schon beim ersten Zuhören gepackt und ich bin gespannt auf das Chill Out, unser für heute letztes Ziel am Markveien in Grünerløkka. (Hallo an Ines!!! Wir haben alle einmal nach Hamburg gewunken, als wir an deinem alten Haus vorbei sind…:)….) Martin verschwindet in dem vollgepackten Geschäft fast augenblicklich in der Klamottenabteilung, während Isa, Miriam und ich die Bücherecke besuchen. Reiseführer sind faszinierend und wecken augenblicklich mein Fernweh. Nach einiger Zeit reißen wir uns von den Büchern los und widmen uns der kleinen Bar im Laden. Die Wahl fällt diesmal leicht: Drei vietnamesische Kaffee, bitte – und eine heiße Schokolade. Dazu ein Schoko-Chili-Gebäckstück. Völlig versteckt befindet sich im unteren Teil des Ladens eine herrlich gemütliche Kaffeeoase mit alten Sofas, ausgelesenen Reiseführern, niedrigen Holztischen und einer Menge Atmosphäre. Wie nett!

Take that, Tim Wendelboe.

Miriams heiße Schokolade und unsere Gebäckwunder kommen als erstes. Schokolade und Chili ist eine prächtige Kombination und wir lassen es uns schmecken. Unsere Bedienung kehrt mit einem voll beladenen Tablett zurück und stellt drei Kaffeetassen vor uns ab. Interessiert betrachte ich die Konstruktion: Auf einem höheren Glas sitzt ein etwa gleichhoher Metallfilter, durch den dunkler Kaffee auf eine schmale Schicht Kondensmilch tropft. Die unterschiedlichen Dichten bewirken, dass sich die beiden Flüssigkeiten nicht verbinden – das ist Aufgabe des Trinkers. Je nachdem, wie süß man den Kaffee mag, muss im Folgenden sehr viel oder sehr wenig umgerührt werden. Vietnam und Kaffee hätte ich jetzt nicht so spontan zusammengetan, tatsächlich ist Kaffee aber die nationale Leidenschaft des Landes. Der fruchtbare Boden und ein gutes Klima erlauben die Produktion erstklassiger Kaffeebohnen, lerne ich jetzt. Mir gefällt diese Zeremonie sehr. Ich beobachte meinen Kaffee beim Durchtropfen, entferne dann den Filter und rühre vorsichtig um. Ein erster Schluck und – bumm. STARK. Sehr, sehr stark. Aber lecker. Aber stark. Aber lecker. Und süß! Mein Blutdruck und ich diskutieren für eine Weile, bis ich nachgebe und nur noch einen kleinen Schluck trinke. Miriam lacht wissend in ihre heiße Schokolade und auch Martin kämpft mit dem großen Glas. Trotzdem ein absolut gelungener Abschluss dieser Kaffeetour.

Vier unterschiedliche Orte, vier unterschiedliche Baristas – die doch eines gemeinsam haben: Liebe für Kaffee und Leidenschaft für die Kunst der Kaffeezubereitung. Mir hat sich eine ganz neue Welt eröffnet und auch, wenn ich meinen Luigi nicht entsorgen und weiterhin entkoffeinierten Kaffee trinken werde, weiß ich doch jetzt: Es gibt mehr über und von Kaffee zu lernen, zu schmecken, zu entdecken, als ich bisher ahnte. Ich freue mich auf unsere nächste Tour, die unter dem Motto „Espresso“ stehen wird. Ein ganz dickes DANKE an Isabella, die uns so fantastisch durch die Osloer Kaffeewelt geführt hat, deren Neugierde ansteckend ist und die selbst den hartgesottensten Teetrinker für Kaffee begeistern könnte.

Das war es für heute, meine lieben Leser. Ich wünsche Euch allen eine anregende Woche voller neuer Erlebnisse, Orte und Menschen. Bleibt neugierig und guckt über den Tellerrand. Bis zur nächsten Woche!

 

Ha det,

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(Im Chill Out)

Ulrike

 

Happy 450th Birthday, Will ODER Der unerwartete Auftritt der roten Papierschere

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Das Publikum wippt begeistert mit, die Darsteller geben alles, Ragtime flutet durch den Gemeindesaal und ich habe nur einen Gedanken: GESCHAFFT!!!

Hallo, meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Nach knapp acht Monaten Probenzeit ist unser Shakespeare-Projekt letztes Wochenende erfolgreich über die Bühne gegangen und ich bin megastolz darauf. Über 100 Zuschauer hatten wir in den zwei Tagen und ich nehme Euch einfach mal mit in meine Stunden vor, während und nach der Premiere.

Das Wetter lässt morgens zu wünschen übrig. Es regnet. Na, super…die ersten 15 Minuten unseres Stückes sollen vor der Tür stattfinden. Ein kurzer Check auf der Wetterseite yr.no sagt aber: Um 18h hört es auf zu regnen. Prima, passt.  Ist das Wetter auch grau, die Laune ist bombig. Ich freue mich auf die Premiere, auf die Nervosität, das hektische Gewusel von 12 Leuten und die gespannte Erwartung des Publikums. Eine lange Liste von Dingen, die erledigt oder kontrolliert werden müssen, liegt vor mir. Es ist 8 Uhr morgens, vor 10 Uhr kann ich nichts davon erledigen. Schlafen geht aber auch nicht mehr. Mist. Die nächste Premiere setze ich für 9 Uhr morgens an. Jawoll. Hm…nächste Premiere…vielleicht sollte ich die zwei Stunden nutzen und überlegen, welches Stück wir nächstes Jahr…nee….geht nicht…immer erst ein Projekt beenden. 8 Uhr 10. Die Zeit schleicht.

Der Vormittag vergeht dann in Einkaufen und Kaffee trinken und um kurz vor drei hält mich nichts mehr – ab in den Gemeindesaal. Dort zu sein ist schon mal besser als zuhause zu sitzen. Und immerhin kann die Aufregung dort besser geteilt werden, denn ich bin nicht die Einzige, die schon früher auftaucht. Prima. Gute Laune macht sich breit, als wir Luftballons aufblasen, Girlanden verteilen und den Saal so bereit machen für unsere William-Shakespeare-Geburtstagsfeier.  Um kurz vor fünf: Maskentermin. Jetzt wird es ernst. Katharina, Maskenbildnerin an der Osloer Oper, hat angeboten, uns während der beiden Vorstellungen zu schminken – eine tolle Sache! Das Gemeindebüro wird kurzerhand zum Maskenraum umfunktioniert und wo eigentlich Aktenordner, Locher und Stifte ihren Platz haben, liegen nun Schminkschwämme, Farbtöpfe und Bürsten.

Die Zeit in der Maske war für mich schon immer eine perfekte Vorbereitung auf den zu folgenden Abend. Hinsetzen, Augen zu, manchmal Augen auf, hochgucken, runtergucken..mehr wird dort nicht von mir verlangt. Falls nicht gerade die Lippen geschminkt werden, kann man sich prima unterhalten in diesem kleinen Refugium, die Stimmung ist locker. Während Rouge verteilt, Kajalstriche gezogen und Haare gewickelt werden, hat man Zeit den Ablauf noch einmal im Kopf zu wiederholen und kommt nach einer gewissen Zeit (in den meisten Fällen) verschönert und erholt zurück in die Realität. So auch diesmal. Es ist 17.15h und langsam trudelt der Rest der Truppe ein. Um 18.45 beginnen wir das Stück vor der Tür und wollen so die Zuschauer begrüßen.

Es regnet immer noch. Minuten später tanzen kleine Schneeflocken am Fenster vorbei. Die drei Hexen beschließen, in Winterstiefeln und dicken Jacken unter den grauen Umhängen draußen zu spielen, während Romeo sich in ihr Thermounterhemd wirft und Puck nach einem Regenschirm sucht. Niemand will den Einlass ausfallen lassen. BRAVO!!!

Der Saal ist fertig, 72 Plätze, mal gucken, ob es reicht. Abendkasse ist eingerichtet, Kuchenbuffet steht, Kaffee brodelt durch die Maschine, Wechselgeld ist da.  Requisiten sind an ihren Plätzen, Scheinwerfer funktionsfähig und auf Position, Headset und Sound sind gecheckt, alle Darsteller und Helfer sind bereit und willig – auf geht’s!!!!

Die ersten Zuschauer kommen gegen 18.30 Uhr durch den Regen gelaufen. Yr.no scheint verbesserungswürdig zu sein, statt gegen 18 Uhr aufzuhören, hat der Regen zugelegt. Wir sammeln Regenschirme und beginnen um 18.45 Uhr draußen mit dem Stück. Hamlet begrüßt die Zuschauer mit „Sein oder nicht Sein“, Puck erzählt, seine Königin sei in ein Monster verliebt, die drei Hexen brauen gutgelaunt und gefährlich kichernd einen Sud aus Plastikratten, Weingummiaugen und Fichtenästen, während Romeo Julia gesteht, dass er über die hohe Mauer in ihren Garten geschlichen kam, um seine Liebe zu beweisen. Es ist ein wunderbares Spektakel, das auch nicht davon gemindert wird, dass die Shakespeare-Figuren unter Regenschirmen rezitieren. Sicher im Trockenen angekommen, begrüßt Macbeth seine Untertanen mit der philosophischen Betrachtung der Zukunft, während aus dem Saal Klavierklänge dringen. Die Zuschauer sind von Anfang an mittendrin – manche verwirrt das augenscheinlich, andere können gar nicht genug bekommen und lassen sich auf Unterhaltungen mit den Darstellern ein.

Ich werde langsam ruhiger, der Saal füllt sich, die Sache läuft, endlich fängt es an. Mit meiner Weihnachtsglocke bewaffnet läute ich den Beginn der Show ein, die durchgefrorenen Darsteller begeben sich ins Warme.

Der Vorhang geht auf.

Die Energie im Saal ist vielversprechend und wird, wie in einem Tennismatch, aus dem Publikum auf die Bühne und wieder zurückgeschossen. Das Verhältnis stimmt und manche Szenen habe ich noch nie so gut gesehen. Es macht Spaß zuzugucken – alles klappt!

Naja, fast.

In der Handwerkerszene aus „Ein Sommernachtstraum“ beginnt der Mond plötzlich mit seinem Kollegen zu tuscheln, während Pyramo sich lautstark über den vermeintlichen Tod seiner Thisbe beklagt.  „Was tuscheln die denn da?“ denke ich irritiert, als Kollege Astrid plötzlich von der Bühne verschwindet. Konzentriert scanne ich die Bühne und – ohja – wo ist der Dolch, den sich Pyramo gleich vom Mond geben lassen soll?

Nicht da.

Dumm irgendwie, denn mit diesem Dolch soll er sich gleich das Leben nehmen.

Die Sekunden vergehen, Pyramo kommt immer näher an die Textstelle, an der er sich den Dolch holen soll.

Kollege Astrid kehrt zurück auf die Bühne. In der Hand…

…eine rote Schere, die sie schweigend dem Mond gibt, der sie, ohne mit der Wimper zu zucken, entgegennimmt.

Ich habe das Gefühl, meine Augen fallen mir aus dem Kopf.

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…“mein Liebchen hat defloriert“, rezitiert Pyramo und greift zum Dolch, der nun eine Schere ist. Auch hier kein Zucken. Dafür zucke ich. Das ist eine scharfe Schere, mit der sich gleich zwei Darsteller das Leben nehmen werden. Alles läuft gut. Auch Thisbe nimmt mit großer Selbstverständlichkeit die rote Papierschere aus den Händen ihres verstorbenen Geliebten, hält sie anklagend in die Höhe und nimmt sich, bühnengerecht, damit das Leben. Für dieses abgebrühte Überspielen eines so eindeutigen Schnitzers hätten sie alle Szenenapplaus verdient.

Kam aber nicht.

Das Publikum dachte, es muss so sein.

Natürlich ist die Schere in der folgenden Pause DAS Gesprächsthema. Die Laune ist hervorragend und ich weiß – alles wird heute gut. Die Zuschauer machen sich bestens gelaunt über das Kuchenbuffet her und nach 15 Minuten starten wir in den zweiten Teil. Macbeth geht ohne Probleme und mit vielen Lachern über die Bühne und ich muss daran denken, welche Sorgen uns diese Szene gemacht hat. Zu lang, zu kompliziert, Teilen wurden gestrichen, umgeworfen, eine Textversion wurde durch die nächste ersetzt – und doch, jetzt funktioniert es. Toll!

Unser Highlight kommt am Schluss. Ich vermute zwar, dass „Hamlet – Die 15 Minuten danach“ gut ankommen wird, aber wirklich sicher bin ich erst, als die ersten Lacher punktgenau kommen. Kommissar Schmitz mit rheinischem Dialekt, der auf Urlaub in Dänemark den Mord des kompletten Königshauses aufklären soll, ist ein Brüller. Die sich streitenden Leichen und der Vertraute Horatio, der versucht, die Situation in Griff zu bekommen, kommen genauso wunderbar schräg beim Publikum an, wie wir uns das beim Schreiben vorgestellt haben. Als dann noch ein Ragtime-Song die Szene beendet, sind die Zuschauer nicht mehr zu halten und ich jubele begeistert von der Seite aus mit.

Geschafft!!! Das Licht geht aus, der Applaus geht los und der Abend endet in Begeisterung.  Die Premierenfeier wird lang, lecker und lustig.

Und nun? Nun ist das Ganze schon eine Woche her und nicht mehr als Erinnerung. Eine der besten allerdings, die ich hier in Norwegen bisher gemacht habe. Auch wenn der Weg manchmal steinig war, am Ende hat sich alles gelohnt. Nächstes Jahr wieder, auf jeden Fall!

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Das war es für heute, meine lieben Leser, nächste Woche ist Ostern und der Blog kommt in der Woche darauf zurück. Dann mal wieder mit einem typisch norwegischen Thema: Kaffee. Barista Isabella nimmt mich nächste Woche mit auf Kaffeetour durch die Hauptstadt und ich bin gespannt, welche Überraschungen auf mich warten. Von Tim Wendelboe bis zur vietnamesischen Kaffeekultur stehen viele spannende Dinge auf unserem Kalender. Lasst Euch überraschen!

Ich wünsche Euch allen, wo auch immer Ihr seid, Frohe Ostern, Zeit für Euch selbst, Eure Familien und Freunde.

Ha det bra,

 

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Ulrike

 

PREMIEREN-STRESS oder Warum hat ein Muffinblech nur 12 Plätze?

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Guten Morgen, meine lieben Leser und wie schön, dass wir uns hier wieder treffen.

Kurz.

„Tomorrow and tomorrow and tomorrow……“ stöhnt Macbeth.

Und ich schwitze auch schon ein bisschen.

Denn es ist soweit: Nach acht Monaten Proben, Texten, Lernen, Inszenieren, Proben, Proben und Proben findet morgen die Premiere von „Shakespeares verrückten Geschichten“ statt. Das Resultat ist, finde ich, klasse geworden – ein bunter, verrückter und wunderbarer Abend. Würdig, um Shakespeares 450. Geburtstag zu feiern! (Danke, Daria ;)…)

Unglaublich eigentlich: Da startet man mit einer Idee auf einem Blatt Papier und acht Monate später steht die Idee auf der Bühne und bringt Zuschauer zum Lachen. Allein hätte ich das nie geschafft. Aber, genauso unglaublich, es gibt diese wunderbare, verrückte, talentierte Gruppe von Leuten, die mitmachen wollten! Astrid, Birgit, Christine, Christina, Claudia, Erik, Friedbert, Lina, Mandy, Sören – Ihr seid genial!

Das Premierenfieber macht sich langsam breit, aber es gibt noch viel zu tun und deswegen muss der Blog verschoben werden. Unter anderem muss das Kuchenbuffet für Samstag vergrößert werden, denn es kommen weit mehr Zuschauer, als wir erwartet haben.

Was super ist, versteht mich nicht falsch.

Aber nun müssen mehr Kuchen her, Muffins gehen wunderbar schnell, aber warum sind nur 12 Plätze auf so einem Muffinblech????

Drückt uns für morgen und Sonntag die Daumen, kramt mal wieder Euren Shakespeare raus und lest ein paar Zeilen oder geht mal wieder ins Theater!

Happy Birthday, Will!

Ha det,

Ulrike