Ein volkssportlicher Sonntag im Wald ODER Wer hat die beste Orientierung?

@querbilder.de

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Eine! Und noch eine! Da hinten: Noch eine!!!! Wir stehen mitten im Matsch und starren die drei Moltebeeren an, die zu unseren Füßen liegen. Was für eine tolle Belohnung nach drei Stunden Orientierungslauf!

Hallo, meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier wieder treffen. Ja, okay, ich habe ein bisschen angegeben. Ich war nicht auf einem OrientierungsLAUF sondern auf einer Orientierungstour. Nur für den Fall, dass die, die wissen wovon ich rede, mir schon ganz begeistert auf die visuelle Schulter klopfen wollten. Es gibt nämlich einen gewaltigen Unterschied zwischen Orientierungslauf und Orientierungstour.

Aber fangen wir ganz vorne an. Stellt Euch vor, Ihr habt eine Landkarte vor Euch von einem Waldstück oder ähnlichem in Eurer Umgebung. Mitten auf der Karte finden sich Nummern. Und die sollt Ihr finden. Nun sind diese „Nummern“ aber interessanterweise nicht an dem einzig großen Baum auf einer riesigen Lichtung gleich rechts vom Parkplatz zu finden.

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Das wäre ja öde.

Nein, nein, diese orange-weißen Schilder finden sich gern an Stellen, die bisher nur von Elchen oder kletterwütigen Kaninchen besucht wurden. Manche hängen sogar an Stellen, die dem Wald selber ganz unbekannt sind. Zu denen niemand will.

Außer Orientierungsläufern. Die wollen da hin und zwar so schnell wie möglich. Der Witz an der Sache ist dabei: WIE man genau zu den Punkten kommt, ist jedem selbst überlassen. Hilfreich ist es, des Kartenlesens mächtig zu sein und zu wissen, dass bestimmte Linien in bestimmten Abständen eines bedeuten: Muskelkater am nächsten Tag.

Hört sich doch alles prima an, nicht wahr? In Norwegen ist dieser Sport sehr populär. Das musste ich also unbedingt einmal probieren! Schon im ersten Sommer waren mir diese orange-weißen Schilder am Sognsvann aufgefallen, aber ihren Sinn und Zweck hatte ich nicht hinterfragt. Diesen Sommer dann konnte ich das Rätsel lösen, als Freund Magnus begeistert von seinem letzten Orientierungslauf erzählte und ich kein Wort verstand. Nach kurzer Aufklärung war dann alles klar. Einige Wochen danach bot mir Freundin Christine eine OrientierungsTOUR an und versprach mir, ich müsste nirgendwo im Dauerlauf ankommen.

Vor allem nicht auf Bergen.

Ich vertraute ihr und an einem strahlenden Sonntagmittag machten wir uns auf den Weg Richtung Westmarka. Christine hatte mich mit Wanderkarte und einer…(tja, wie nenne ich es?)…einer Abknipskarte ausgerüstet. Die Wanderkarte und ich hatten anfangs Kommunikationsprobleme, arbeiteten aber daran. Die Abknipskarte sollte meinen Ehrgeiz wecken. An jedem gefundenen Posten durfte ich mit einem kleinen Locher, der am Schild befestigt war, ein Stück auf dieser Karte durchlöchern.

Wir wanderten also los und das Ganze erinnerte mich sehr an Geocaching. Mitten in der Butnik sollen bestimmte Punkte erreicht werden. Absoluter Vorteil des Orientierungslaufs: Man sieht die Schilder sehr gut. Auch von unten. Wie wir an unserem ersten Posten.

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Ich schluckte gewaltig.

Das orange-weiße Schild lachte mich aus einer Höhe von miiiiiiiindestens 100 Metern an und schien zu rufen: „Komm doch, traust dich nicht, komm doch, traust dich nicht.“

Es war schon sehr hoch. Und waldig. Und hoch. Und hatte ich schon gesagt, wie hoch es war?

War es.

Christine schritt entschieden voran. Da konnte ich doch nicht anders als hinterher. Sagen wir so: Ich werde niemals eine Gemse ehrenhalber. Eher ein Bulldozer oder eine Planierraupe h.c. Doch ich kam an. Zitternd und verschwitzt, aber stolz.

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Fünf Posten hatten wir uns ausgesucht für unsere Tour. Auf dem Weg zu Nummer 2 rückte aber die Orientierung in den Hintergrund. BLAUBEEREN! Wir standen auf einmal in einem Meer von Blaubeerbüschen. Nicht die kleinen, schwer zu pflückenden Waldfrüchte, oh nein, die Äste hingen am Boden voll mit dicken, blauen Beeren. Es war eine Freude, sie zu ernten. Getreu dem Motto: Eine in den Topf und zwei in den Kopf futterten wir uns gutgelaunt durch den Wald.

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Irgendwann waren wir satt, alle mitgebrachten Dosen randvoll und weiter ging die Suche nach orange-weißen Schildern. Ein einsam umhersuchender Mann fiel uns auf. Ob der wohl auch…..? Wir folgten ihm unauffällig (so unauffällig das im Wald möglich ist) und tatsächlich steuerte der ältere Herr bald auf einen umgekippten Baum zu und griff nach einem orange-weißen Schild.

Das war ja nun praktisch!

(Anmerkung: Weder Christine noch ich haben ansonsten die Angewohnheit, ältere Männer in dunklen Wäldern zu verfolgen. – Das wollte ich nur noch einmal betonen. Tun wir nicht. Ehrlich!)

Der Rest des Orientierungstages verlief ähnlich erfolgreich: Blaubeeren ernten, Blaubeeren essen, Sonne genießen, Posten finden, knips-knips, Walderdbeeren finden und essen, Blaubeeren ernten und essen, mit Turnschuhen über Moorwiesen wandern und denken: Wozu habe ich Wanderschuhe Zuhause stehen?, weiter durch Moorwiesen wandern, langsam müde werden, letzten Posten abknipsen, sich auf eine Bank freuen als plötzlich:

„MOLTEBEERE!“

Christine Adlerauge hatte sie zuerst gesehen und lenkte meinen Blick: Tatsächlich! Meine erste, in freier Wildbahn lebende Moltebeere!

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Fast schändlich schien es, die kleine orange Beere abzupflücken und zu essen, da entdeckte Christine eine zweite! Und dann eine dritte! Bei dieser Masse an Beeren durfte ich eine probieren. Andächtig schob ich mir die Beere in den Mund und genoss den etwas säuerlichen Geschmack. Köstlich!

Das war ein angemessenes Ende für einen tollen Orientierungsnachmittag. Die Orientierungs-Saison 2015 ist in wenigen Tagen vorbei – 2016 werde ich aber dabei sein! Und diesmal finden wir VIER Moltebeeren, oder, Christine?

***

Das war es für heute, meine lieben Leser! Der Herbst ist da, im Frognerpark begrüßen uns jetzt morgens immer mehr bunte Blätter, die Tage werden kürzer, Tee und Kerzen gehören bald wieder zum Alltag. Ich wünsche Euch allen eine tolle Woche, macht es Euch gemütlich!

Ha det bra,

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Ulrike (und Danke, Christine :)….)

Blog verschiebt sich wegen Kindertränen….

„Vertraue deinem Kind – vertraue darauf, dass es schreit, weil es ein Bedürfnis hat. Vertraue dir selbst, wenn du fühlst, dass Du auf das Schreien eingehen musst. Vergiss nicht, dass es eine Person ist, die weint.“

Diesem Rat von William Sears habe ich bis eben befolgt und bin nun zu müde für den fälligen Freitagsblog. Seht es mir nach, liebe Leser!

Euch allen wünsche ich ein tolles Wochenende, hier in Oslo tobt ab morgen der Bär: Oslo-Marathon, Kinderbuchfestival und zahlreiche Flohmärkte stellen die Bewohner vor die Qual der Wahl. Wir machen es ganz anders: Raus aus der Stadt und ab in die Hütte am Hydrostranda, wo es jetzt schon Eva, Catharina, Steffen und Stephan „koselig“ haben 🙂

Ha det bra,

Ulrike

Mein erstes Mal…ODER Kommunalwahl in Oslo 2015

Na, toll. Im Supermarkt finden sich gerade mal drei Sorten Nudeln, aber hier gibt es plötzlich die große Auswahl. Das Prinzip „Ich nehme eine davon, eine davon und drei Scheiben davon“ klappt leider nicht. Ist aber auch unnötig: Ich bin informiert und greife entschieden zu. Links einen der roten Zetteln und rechts einen der grünen Zetteln. Fertig. So, nun habe ich zum ersten Mal in Norwegen gewählt.

Hallo, meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier wieder treffen. Ich habe mich unverhältnismäßig stark gefreut, als vor einigen Wochen unsere Wahlkarten im Briefkasten lagen. Warum eigentlich? Soo spannend ist wählen ja nun auch nicht. Aber es war nicht nur eine Wahlkarte für mich: Norwegen hatte anerkannt, dass ich lange genug im Land war, um ein bisschen Verantwortung anvertraut zu bekommen. Ich bekam also die Erlaubnis, mich in der norwegischen Politik aktiv zu beteiligen. An der norwegischen? Nicht ganz. Nach drei Jahren Aufenthalt bekommen Ausländer das Recht, sich an Kommunalwahlen zu beteiligen. Ich durfte also den Stadtrat von Oslo mitwählen. Immerhin.

Nun ist das mit der Beteiligung ja immer so eine Sache: Politische Entscheidungen dürfen wir erst nach drei Jahren treffen. Steuern hingegen nahm uns Norwegen gern ab Tag 1 ab. Ob nun drei Jahre Steuern zahlen und das Wahlrecht nach drei Jahren zusammenhängen, weiß ich nicht. Bei der Höhe der in Norwegen zu zahlenden Steuern kommt allerdings der Gedanke auf, dass man nach drei Jahren locker den Wahlkampf wenigstens einer der großen Parteien finanziert hat. Und im Gegenzug bekommt man dann Wahlrecht und, in meinem Fall, vier rote Rosen. Trotz alldem war meine Freude groß.

Meine Unsicherheit allerdings war noch viel größer. Was tun jetzt mit der Verantwortung, die mir der norwegische Staat übertragen hat? Das Dilemma ist nämlich: Ich bin so ganz und gar nicht politisch. In Deutschland habe ich immer Grün gewählt, mit 18 angefangen und dann bin ich irgendwie dabei geblieben. Aber damit hier in Norwegen einfach weiter zu machen – das erschien selbst mir absurd. Ein bisschen wusste ich über die norwegischen Parteien aus der Zeitung, kannte Namen und die ungefähre Ausrichtung (Arbeiderpartiet = SPD/ Høyre = CDU…). Für eine Wahlentscheidung reichte es nicht.

Allerdings wollte ich auch nicht wertvolle Urlaubswochen mit dem Lesen verschiedenster sog. „Parteiprogramme“ verbringen. Mein Ziel war das der erfolgreichen Geschäftsleute: Minimaler Einsatz für maximalen Gewinn.

Auftritt: Der Valgomat!

Hört sich an wie ein Feinde-umwalzender-Superheld, ist aber ein mathematisch höchst kompliziert ausgeklügeltes Frage-Antwort-Programm, eine Art politischer Psychotest, an dessen Ende ich nicht erfuhr, wie aufgeschlossen ich beim Sex bin, sondern welche Partei ich wählen sollte.

Nun gibt es aber nicht nur DEN Valgomat. Oh, nein. Jede der großen Tageszeitungen, die TV-Stationen und auch lokale Zeitungen überboten sich. Ich landete schließlich beim Valgomat von Aftenposten. Na, da kamen vielleicht Fragen. (Die Fragen beim Sex-Test wären bestimmt spannender gewesen.) Es begann harmlos: Mein Geschlecht sollte ich angeben, dann meine Altersgruppe. Das schaffte ich problemlos. Dann kamen die ersten „inhaltlichen“ Fragen und ich dachte: Häh? Nicht, dass ich sie sprachlich nicht verstand. Oh nein, alles prima. Nur über die Themen hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel:

– Soll die Waldgrenze der Oslo umgebenden Wälder verändert werden, um mehr Bauplatz zu schaffen?…Tja…

– Sollen Schankstätten (Pubs etc) früher schließen als heutzutage?….Hm….

– Soll der Bau von mehr Hochhäusern in Oslo erlaubt werden?….Also…

– Sollen mehr Areale für Schrebergärten geschaffen werden?

– Sollen 16jährige wählen dürfen?

Natürlich betreffen mich diese Themen irgendwie mehr oder weniger. Aber ich hatte mir weder über das Stimm- noch über das Schankrecht hier in Oslo jemals Gedanken gemacht. Aber da hatte der Valgomat mitgedacht. Vet ikke durfte ich dann antworten („Weiss nicht.“) und bei der Zusatzfrage: „Wie wichtig ist dieses Thema für dich?“ durfte ich mein Desinteresse bekunden. Übrig blieben also die für mich relevanten Themen und Fragen und nach knapp fünfzehn Minuten stand fest:

Aha.

Ach?

DIE sollte ich also wählen.

Von dieser Partei hatte ich noch nicht viel gelesen, der Valgomat und der Rest des Internets informierten mich aber gerne weiter und auch gut genug, dass ich am Ende sagen konnte: Nee, nee, Valgomat, da hast du dich aber vertan. Naja, aber die treue Maschine hatte mir eine gewisse Richtung vorgegeben und irgendwann traf ich eine Entscheidung und zog los, um zu wählen. Hier in Norwegen kann man forhåndsstemme, seine Stimme also bereits vor den beiden offiziellen Wahltagen Mitte September abgeben. Dafür steht zum Beispiel hier in Majorstuen ein orange-weißer Container. Seit einigen Wochen können Wahlberechtigte hier von 10-19/10-17 Uhr ihre Stimme abgeben.

Immer, wenn ich daran vorbeilief, stand davor eine lange Schlange Wahlwilliger. Meine Wahlkarte und meinen Pass hatte ich, für den Fall der Fälle, täglich dabei, aber der trat nie ein. Letzten Donnerstag musste ich dann mit Gesa zur Impfung am Solliplatz und was finde ich im Foyer der helsestasjon?

Ein Wahllokal.

OHNE Schlange.

Und nicht nur das, es fand sich dort auch eine sehr nette Deutsche, die, von der Stadt Oslo damit beauftragt, erklärte, was genau ich in der Wahlkabine zu tun hatte.

Für alle norwegischen Neuwähler also: Aufgepasst.

Für alle anderen: Ich halte mich kurz.

Ich fand mich also in der Wahlkabine vor einer Art Ablagesystem mit roten Zetteln auf der linken Seite und grünen auf der rechten Seite. Die linke Seite (also alle……ROTEN Zettel, genau!) betraf den Stadtrat Oslo, die rechte Seite den Stadtteilrat Frogner. (Stadtteilwahl darf man aber nur in DEM Stadtteil machen, in dem man gemeldet ist. Ich also hier, weil ich…genau, in Frogner gemeldet bin. – Ich merke schon, Ihr passt gut auf!). Als erstes war ich überrascht ob der Auswahl. Da hatte mir der Valgomat einige Parteien unterschlagen. Aber ich war ja entschieden. Beherzt griff ich zu und öffnete den roten Stadtrat-Zettel. Ich durfte, so hatte mir die nette Deutsche erklärt, entweder NUR den Zettel nehmen, falten und zur Box bringen, oder einen oder mehrere Namen der gewählten Partei auf dem Zettel ankreuzen. Eine von beiden Möglichkeiten tat ich, sowohl für Stadt- als auch für Stadtteilrat, dann öffnete ich den Vorhang und ging zur Registrierung.

Der Ablauf verwirrte mich. Anstatt, dass ich mich ZUERST registrierte und die Wahlhelfer kontrollieren konnten, ob ich überhaupt wahlberechtigt bin, kam dieser Arbeitsgang am Schluss. Nun ja, alles lief gut, meine beiden Stimmzettel wurden mit dem Stadtteilstempel versehen und ich steckte sie gemeinsam in die Wahlurne.

Erledigt.

Nun warten wir bis zum 15. September auf die Ergebnisse (offizieller Wahltag sind der 13. und 14. September). Die in weiterführenden Schulen hier in Oslo durchgeführte Probewahl (skolevalg) sah die AP (Arbeiderpartiet) vorne in Koalition mit den Grünen. Allerdings wurde Oslo in den letzten 18 Jahren von Høyre und Koalitionsparteien regiert – wird sich das für die nächsten vier Jahre fortsetzen?

***

So, das war es für heute, meine lieben Leser. Eigentlich wollte ich heute erzählen, wie ich vor dem Urlaub in norwegischen Wälder mit Freundin Christine auf Orientierungslauf war – aber kommt einfach am nächsten Freitag. Bis dahin wünsche ich Euch ein tolles Wochenende, eine noch bessere Woche voller richtiger Entscheidungen (ob es sich nun um Nudeln oder Parteien handelt) und viel Spaß.

Ha det,

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(Ich beim Wählen. Erklärung für diese abstrakte Kunst: Fotoverbot im Wahllokal.)

Ulrike