Mein Reisetagebuch aus Trondheim oder Ich glaube, ich hab mich verliebt…

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Dreierbeziehungen sind zum Scheitern verurteilt. Jaja, angeblich hatten Psychoanalyst Carl Jung und seine junge Patientin den halbherzigen Segen von Jungs Ehefrau Emma und angeblich lebte Autor Aldous Huxley fröhlich mit Ehefrau und Mätresse, aber diese rebellischen Ausnahmen von der bürgerlichen Norm bestätigen mich nur darin: Drei sind einer zu viel – und das stellt mich vor die entscheidende Frage: Oslo oder Trondheim?

Hallo meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier wieder treffen und entschuldigt, dass ich mich Freitag,  an unserem Tag, nicht gemeldet habe. Ich saß laptoplos in Trondheim und habe meinen Tag mit Kaffee trinken, Museumsbesuch und Kino in meiner neuen Liebe verbracht.

Ja, denn ich muss gestehen: Ich habe mich verliebt.

In Trondheim.

Das ist besonders unangenehm, da ich ja Oslo im letzten Blog eine Liebeserklärung gemacht habe. Bin ich nun einfach eine verdammt untreue Seele? NEIN! Vielleicht lässt es sich so erklären: Oslo kenne ich viel besser und die Stadt ist mir natürlich viel näher als die Neueroberung, der Two-Nights-Stand, Trondheim. Ich muss mich auch nicht entscheiden zwischen den beiden, denn es sieht nicht danach aus, als würden wir nach Trondheim ziehen. Alles also gar nicht so schlimm. Nun habe ich meine moralischen Urban-Sünden gebeichtet, mir Luft gemacht und nun kann es losgehen mit meiner Beschreibung der letzten drei Tage!

Dienstag, 2. 4. 2013, 22 Uhr, Oslo

Es gibt schönere Orte als den Osloer Hauptbahnhof um 22 Uhr, aber mit Cheesebites und Kaffee lässt sich das Treiben entspannt beobachten. Der Nachtzug Richtung Trondheim steht schon eine Stunde vor Abfahrt bereit, Hallelujah, und hinein da. Mir steht eine schlaflose Nacht bevor, aber nur halb so schlimm, es hat einen besonderen Reiz in frisch gestärkter Bettwäsche auf einem gemütlichen Etagenbett durch die Nacht zu ruckeln.  Und die Gedanken ruckeln gleich mit…

Ich reise gern. Nur  für ein paar Tage an einem Ort zu sein und ihn dann auf meine Art und Weise zu entdecken. Niemanden zu kennen, aber sich Orte zu schaffen, die langsam bekannt werden. Überall etwas Besonderes zu suchen und zu finden. Ganz viel will ich in die kommenden Tage stecken und bin jetzt schon hibbelig mir einen Stadtplan mit den Highlights bei der Touristeninformation zu holen. Abends werden dann die besichtigten Höhepunkte der Stadt abgehakt. Doch, wirklich, ich mache das. Da gibt es nicht zu rütteln. Es ist stärker als ich.

Ruckel, ruckel…Ich liebe es, unterwegs zu sein. Diese Stimmung auf der Fahrt, weg vom Alltag und seinen alltäglichen Problemen und Gedanken, aber noch nicht ganz da am neuen Ort. Irgendwie dazwischen. Und nirgends. Ruckel ruckel ruckel….Norwegen zieht an mir vorbei. Noch vier Stunden Fahrt. An Schlaf ist leider wirklich nicht zu denken, also lese ich, passend im Titel, Hape Kerkelings  „Ich bin dann mal weg“.

Mittwoch, 3. 4. 2013, 6.50 Uhr, Trondheim

Ich muss mir endlich wieder eine Brille anschaffen! Meine Augen taten heute Morgen, als wären ihnen Kontaktlinsen völlig unbekannt und so stehe ich mit knallroten Heulaugen auf dem Bahnsteig. Mein Elend wird von gutgelaunten Bauarbeitern gelindert, die, mit Körben voller Süßigkeiten bewaffnet, uns Neuankömmlinge begrüßen. Das ist ein Empfangskomitee nach meinem Geschmack.

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Noch habe ich keinen Blick für die Stadt, das Meer oder die schneebedeckten Hügel. Ich will ins Hotel und schlafen. Das Clariton Bakeriet ist unser temporäres Zuhause. In der umgebauten Bäckerei werden wir freundlich begrüßt und zu meinem großen Jubel ist tatsächlich schon ein Zimmer bereit. Ich sah mich schon bis um 12h heimatlos in Trondheim sitzen, aber nein, Zimmer 500…here we come! Nach einem erholsamen Schlaf bin ich bereit, die Stadt zu entdecken. Noch planlos ziehe ich in den sonnigen Vormittag, vorbei an flachdachigen, bunten Holzhäusern auf der Suche nach einem Café, denn ohne Kaffee läuft nichts. Meine Füße schon gar nicht. An einer Straßenkreuzung finde ich, was ich suche: Das Café Dromedar. Das über die nächsten Tage mein zweites Zuhause wird. Mein Fensterplatz erlaubt freie Sicht auf das Treiben der Stadt und ich frage mich, warum ich das hier jetzt schon so nett finde. Ich meine, mal ehrlich:  Ich gucke auf ein Rema 1000, den norwegischen Aldimarkt, eine Bushaltestelle und das imposante Gebäude der Danske Bank. Gaaanz toll, Ulrike, wirklich! Manchmal habe ich sie irgendwie nicht alle. Ich bestelle lieber noch einen Kaffee bei der Angestellten mit dem Dromedar-Tattoo am rechten Handgelenk. Ob die Angestellten hier gebrandmarkt werden nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages? Ich gebe mal vorsichtshalber ein großzügiges Trinkgeld und hoffe, die Ausbeutung der Arbeitskräfte zu stoppen. Obwohl sie eigentlich ganz fröhlich wirken.

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Jetzt aber, los! Wo ist die Touristeninformation? Ein Schild führt mich Richtung Torget, zum Markt. Hört sich vielversprechend an. Wie ein Trüffelschwein auf heißer Spur wandere ich los. Der Marktplatz ist unspektakulär, eingerahmt von Einkaufszentren, gelben Holzhäusern und….AHA, dort an der Ecke in einem orangen Haus…die Touristeninformation. 1:0 fürs Trüffelschwein! Beim Fotografieren der imposanten Statue auf dem Platz werfe ich einen ersten Blick auf die Kathedrale. Wie die genau heißt und wer das auf der Statue ist, weiß ich noch nicht, aber gleich bin ich schlauer. Voller Wissensdurst stürme ich die Touristeninformation.

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Das auf der Statue ist Olav Tryggvason, Wikingerkönig und Gründer Trondheims 997 n. Chr.  Lese ich kurze Zeit später und hake Nummer 18 in meiner neuen Broschüre ab.  Die Nidaros-Kathedrale verschiebe ich wegen der kurzen Winteröffnungszeiten auf den nächsten Tag. Bei einem zweiten Kaffee in einer charmanten Außenstelle des Dromedars in der Nordre Gate plane ich den heutigen Tag. Trondheim ist die ehemalige norwegische Hauptstadt, lese ich im Stadtführer, und bietet mehr als 1000 Jahre Geschichte. Sie ist die drittgrößte Stadt Norwegens mit knapp 180.000 Einwohnern und liegt im Bezirk Sør-Trøndelag an der Mündung des Nidelven, des Nid-Flusses. Trondheim ist Universitätsstadt und der Großteil der 30000 Studenten ist an der Technischen Universität Trondheim, der NTNU, eingeschrieben. Die umgebenden Wälder, der Trondheimfjord und der Nidelven, der die Stadt umfließt, geben der Stadt „a unique flavour of metropolitan life and undisturbed nature.“

Metropole und Wildernis  vereint? Ich bin gespannt.

Auf meinen Plan für heute kommt die Altstadt oder Bakklandet und Svartlamon, eine Ökostadt im Aufbau. Keine Ahnung was das bedeutet, hört sich aber irgendwie spannend an. Los geht es! Zu Fuß, das Wetter ist gut und ich laufe gern. Ein Blick auf meinen noch jungfräulichen Stadtplan weist mich nach Osten und ich wandere los. Nun bin ich nicht gerade für meinen Orientierungssinn berühmt. Nach 30 Minuten bemerke ich also erst, dass ich seit etwa 20 davon in die falsche Richtung wandere. Unter einer ökologischen Teststadt konnte ich mir zwar nichts vorstellen, aber ich bezweifele, dass Dönerbuden und Expressreinigungen, Videoshops und Sonnenstudios dazugehören.

AHA! Fehler gefunden, ich hätte an dieser Kreuzung hier…nee hier… nee Quatsch hier…also irgendwie bin ich falsch. Egal, wenigstens habe ich so den Stadtteil Buran auch kennengelernt, weiß, wo der Bus zum Flughafen abfährt, mache ein Foto von der Lademoen Kirche und gehe zurück. Bald stehe ich vor einer gigantischen Baustelle. Auf der anderen Seite soll die ökologische Siedlung auf mich warten, die mir langsam auf die Nerven geht.  Ökologisch hin oder her, ich habe jetzt keinen Bock mehr und überhaupt, wie doof ist das, meinen ersten Tag auf Baustellen und in unspektukalären Vororten zu verbringen. Ökostadt ade! Altstadt, ich komme.

Weise Entscheidung, denke ich wenige Kilometer weiter, als ich von gemütlichen Holzhäusern umrahmt einen ersten Blick auf die Kathedrale werfe.Im dritten „Dromedar“-Kaffee in Nedre Bakklandet  spendiere ich mir zur Belohnung wenigstens die Altstadt gefunden zu haben, einen weiteren Kaffee.

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Dann begebe ich mich auf die Suche nach einem DER Highlights der Stadt: Sykkelheis.

Nun lasse ich Euch einen Moment rätseln.

Allen Hildesheimern sage ich: Den sollten sie am Krehlaberg bauen!!

Hier noch ein Tipp:

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Ein Fahrradfahrstuhl, ja!

Genau habe ich das System nicht verstanden und leider konnte ich auch keinen Radfahrer auftreiben, der unbedingt diesen Berg hochwollte. Eine Schiene scheint Reifen und Fahrer den Berg hochzuschieben, wie man dabei allerdings die Balance halten soll, ist mir schleierhaft.  Lustig ist es auf alle Fälle. Der guten Aussicht wegen wanderte ich den Berg hinauf und sah, völlig aus der Puste, die Festung von Trondheim zum Greifen nah. Die stand zwar für heute gar nicht auf meinem Programm, aber wenn sie sich so aufdrängt…

Kurze Zeit später stehe ich bis zu den Knöcheln im Schlamm. Authentizität ist wichtig, scheint das Motto der Festung zu sein und vor 1000 Jahren gab’s ja schließlich auch keine Asphaltwege, oder?? Also, durch da und nicht gemeckert. Meine linke Socke ist schon mal nass. Das winterliche Tauwetter tut dem steilen Weg nicht wirklich gut und ich wandere über faulendes Gras und Schlamm dem Eingang entgegen. Immerhin ist die Besichtigung kostenlos. Will ich auch hoffen, ich habe immerhin schon ein Paar Socken geopfert. Die Aussicht von hier oben ist wunderbar und ich beschließe auf jeden Fall im Sommer wieder zu kommen, die Menge von Bäumen und Parks muss aus Trondheim ein grünes Meer machen.

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In der Nähe bewundert eine Familie den weißen Festungsbau. Deutsche, das erkenne ich sofort, von Kopf bis Fuss in Jack Wolfskin gekleidet. Die Deutschen und ihre Liebe zur Wolfs-Tatze ist ein in Europa einmaliges Phänomen. (Update vom 3. 10. 2013: Und fällt auch in Schweden auf. Seht hier!) Gut, die Franzosen mögen Quechua und die Skandinavier Fjällräven. Aber wie sich selbst die wanderfaulsten Deutschen von Kopf bis Fuß in Outdoor-Kleidung stürzen, sobald sie einen Sonntagsspaziergang im Stadtpark unternehmen, das ist einmalig. Und wiedererkennbar. Als ich noch leise in mich hineinlache, höre ich auf plötzlich auf Deutsch: „Entschuldigung, wissen Sie, ob das Kaffee heute noch öffnet?“ Erstaunt blicke ich den Jack-Wolfskin-Vater an und sage: „Nein, das weiß ich leider nicht.“ Als er sich dankend verabschieden will, frage ich: „Wie kommen Sie darauf, dass ich Deutsch spreche?“ Lächelnd antwortet er: „Wegen Ihrer Handtasche. Jack Wolfskin tragen irgendwie nur Deutsche.“

Zack!

Zurück im Hotel versorge ich mich mit trockenen Socken. Den Abend habe ich für mich und beschließe ins Kino zu gehen. „Les Misèrables“ läuft im Nova-Kino, den wollte ich schon seit Ewigkeiten sehen. Ich liebe die Musik, habe das Musical in London gesehen und halte das Duo Boublil/Schönberg für so viel besser als Webber/Rice. Hugh Jackman und Anne Hathaway sehe ich beide gerne, wer sonst mitspielt, weiß ich gar nicht so genau, ich lasse mich überraschen. Das wird schön! Nach 10 Minuten Film muss ich sagen: Nein, das wird es nicht. Hugh Jackman spielt sich die Seele aus dem Leib, singt dabei aber noch ganz verständlich, auch wenn das Rotzen teilweise etwas stört. Mit dieser Darstellung erinnert er mich eher an Wolverine, dessen Adamantium langsam und schmerzhaft schmilzt, als an Jean Valjean. Anne Hatheway treibt mich zu Tränen und bekam ihren Oscar anscheinend auch für ihren Mut derartig roh in die Kamera zu singen. Mir standen die Haare zu Berge, wow. Und dann kam die Überraschung des Abends, der Schreck aus down under, der Gladiator der Nicht-Sänger: Russell Crowe als Javert. Ich muss das nochmal schreiben: Russell Crowe als Javert. Er tut mir fast leid.

Ich kämpfe mich durch den Film, heule am Ende dann doch und nur die urplötzlich reinknallende Saalbeleuchtung erlöst mich aus diesem Alptraum. Ich wackele zurück ins Hotel und Martin und ich lassen den Tag gemeinsam ausklingen. Gute Nacht, Trondheim!

Donnerstag, 4. April 2013, Trondheim

Das Frühstück ist köstlich. In der alten Backstube ist der Speisesaal des Hotels untergebracht, alles ist lichtdurchflutet und freundlich. Trondheim zeigt sich auch in bester Laune, die Sonne strahlt. Ich habe mich von Les Misèrables erholt und freue mich auf die Kathedrale. Martin ist begeistert von seinem Workshop und beschreibt den wunderbaren Ausblick vom Statoil-Büro direkt auf den Trondheim-Fjord. Er schlägt mir vor, das Rockheim-Museum zu besuchen, aber mir ist heute eher nach Geschichte. Wir verabreden uns für abends im Hotel. Gestern habe ich überlegt, ob ich immerzu unterwegs sein könnte. Ja, unter einer Bedingung: Martin wäre dabei.

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Speisesaal im Clariton Bakeriet /nordicchoicehotels.no

An der Wetterfront gab es eine Überraschung – aus dem strahlenden Sonnenschein ist dicker Schneefall geworden. Ich gehe zurück aufs Zimmer, um doch die Winterstiefel anzuziehen. Kurze Zeit später stehe ich im strahlenden Sonnenschein, ohne Schnee, auf der Straße. Es ist April, aber so richtig. Egal, lasse ich die dicken Botten eben an. Mein erster Weg führt mich direkt ins Dromedar und als ich an meinem Stammplatz am Fenster sitze, passiert etwas Merkwürdiges: Ich habe das Gefühl, ich wäre schon ewig hier in Trondheim. Alles wirkt vertraut und, ja , ein bisschen wie Zuhause. Verrückt, ich bin doch erst einen Tag hier. Die Stadt erinnert mich in ihrem Aufbau und ihrer Größe, der Lage am Wasser mit den schneebedeckten Hügeln dahinter ein bisschen an Victoria in Kanada. Vielleicht deshalb das heimelige Gefühl.  Trondheim hat definitiv etwas, das mich anspricht. Mehr als Oslo, mehr als Stavanger. Hier passe ich irgendwie hin.

Nun aber Kultur. Auf zur Kathedrale!

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Die Kathedrale und ihre Winteröffnungszeiten warten auf mich. Ambitioniert kaufe ich gleich ein Kombiticket, um die Kathedrale, den Erzbischofspalast und die Kronjuwelen in einem Rutsch abzuarbeiten. Die Kathedrale liegt auf dem Südteil der Midtbyen-Halbinsel, gegenüber der Altstadt. Im Mittelalter und von 1818 bis 1906 war sie die Krönungsstätte norwegischer Könige. Danach wurde die Krönung als veraltet abgetan und der entsprechende Paragraph aus dem norwegischen Grundgesetz gestrichen. König Olav V., Vater des jetzigen Königs Harald, nahm die Tradition der Segnung in der Kathedrale von Trondheim 1958 wieder auf. Auch König Harald und Königin Sonja ließen sich auf eigenen Wunsch 1993 in Trondheim segnen. Die Kathedrale ist beeindruckend, aber anscheinend bin ich heute nicht in Stimmung für dunkle Gebäude und graue Steinwände. Nach einer Runde bin ich wieder draußen. Es schneit dicke Flocken und ich rette mich in das Museum des Erzbischofspalastes. Hier sind Originalteile der Kathedrale zu bewundern und der Ausbau der Kathedrale wird anschaulich dargestellt. Nächster Stop: Kronjuwelen.

Ich weiß ja nicht, ob Ihr es schon wusstet, aber ich liiiiiiebe Königshäuser und den damit verbundenen Pomp und Klatsch. Nun also vor den norwegischen Regalien zu stehen, ist aufregend für mich.

Ja, ja, ich weiß, ich hake ja auch Sehenswürdigkeiten in Stadtführern ab.

Die Herrschaftszeichen Norwegens bestehen aus drei Kronen (für König, Königin und Kronprinz), zwei Zeptern und Reichsäpfeln, dem Reichsschwert und dem Salbungshorn. Fotos darf ich nicht machen, aber die wären in der schummerig beleuchteten Museumshöhle wohl eh nichts geworden. Die Kronen sind wunderschön, die Königskrone mit Amethysten, einem Topas und vielen Perlen verziert. Die Krone der Königin ist kleiner und mit 1578 Perlen verziert.

Ich habe nachgezählt, na klar!

Mein Abschied vom Museum fällt schwer – draußen tobt ein mittlerer Schneesturm.

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Aber das Museum schließt in 30 Minuten, also raus in den Schnee. Nach wenigen Minuten kehrt die Sonne zurück und ich wandere beschwingt weiter durch die Stadt. Richtig erkunden kann man einen neuen Ort wirklich nur zu Fuß. Nur so ist man richtig spontan. Ich wandere am Rathaus vorbei, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Schloss in Oslo hat und stoppe kurz bei der Go’dagen-Statue am Marktplatz. Meinem Stadtführer zufolge stand eine Frau Modell, die nach Trondheim kam, um als Dienstmädchen zu arbeiten. Nachdem sie in Ruhestand war, verbrachte sie ihre Tage gern am Marktplatz und begrüßte alle, die an ihr vorbei kamen, mit einem freundlichen „God dag!“ Den Namen der Frau konnte mir niemand sagen. Ich nenne sie also Fru Ella, weil mir das gut gefällt. Trondheim hat sich mittlerweile in einen schneebedeckten Traum verwandelt und ich beschließe ein bisschen wandern zu gehen. Es soll einen wunderschönen Spazierweg im Stadtteil Ila geben, also springe ich spontan in einen Bus und lasse mich überraschen.

In Ila schneit es so dicke Flocken, dass ich den Fluß, an dem der Wanderweg entlangläuft, gar nicht erkennen kann. Aber ich höre ihn neben mir gluckern und stapfe durch die Winterpracht. Die Leute müssen denken, ich habe einen an der Waffel. Aber ich hatte ein Bild mit einer Holzbrücke in einem Park gesehen und die will ich jetzt finden.

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Ein wirklich toller Weg, der im Sommer eine wahre Freude sein muss, ebenso wie der Park in Ila. Eine Gruppe von Vorschülern und ich haben auf jeden Fall viel Spaß am Schnee und beim Rutschen auf der eisglatten Treppe. Oben angekommen habe ich, vermutlich, einen tollen Ausblick auf den Fjord, leider sehe ich außer tanzenden Schneeflocken gar nichts. Ich rutsche vorsichtig die bergige Straße herunter und werde von einem Jogger überholt, der sich sicher auf dem rutschigen Untergrund bewegt.

Angeber!

Für heute ist es genug. Zurück geht es ins Hotel, wo erst selbstgemachte Waffeln und dann ein leckeres Abendbüffet warten. Alles im Preis inbegriffen. Tolles Hotel, ich sag es ja. Morgen plane ich das Trondheim Museum, die Hurtigruten und einen kleinen Shoppingtrip mit Martin ein. Abends gehen wir ins Kino und essen. Um 23 Uhr geht unser Zug nach Oslo. Für heute: Gute Nacht, Trondheim!

Freitag, 5.4. 2013, immer noch Trondheim

Happy Birthday Britta!! Ich schicke schon mal telepathische Geburtstagsgrüße an meine liebe Freundin nach Hildesheim. Geburtstagswetter herrscht auch: Sonne pur!! Fast verwerfe ich den Museumsplan, denn das Wetter lockt mehr zum Wandern. Nach einem obligatorischen Kaffee im Dromedar, führt mich der Weg aber zum Hafen. Die Hurtigrute, das kultige Postschiff, das die norwegische Küste entlangfährt, legt um 12 Uhr von Trondheim ab. Da muss ich doch ein Foto machen. Die Hafengegend um Brattøra ist eine große Baustelle, die Ausschilderungen kompliziert, aber irgendwann stehe ich vor dem rotweißen Postschiff mit dem Namen Kong Harald. Seit 1893 verbindet die traditionelle Postschifflinie auf über 2700 Kilometern die Orte an der norwegischen Westküste. Längst sind die alten Postschiffe zur Touristenattraktion geworden und befördern nun neben Post und Waren auch Passagiere. Ich sitze im strahlenden Sonnenschein auf dicken Felsen am Strand und genieße die Aussicht und winke der Kong Harald bei der Abfahrt zu.

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Ein älterer Herr steht samt Fahrrad am Kai und winkt ebenfalls dem Schiff nach, als es gemächlich den Hafen verlässt. Jeden Tag tue er das schon, erzählt er mir. Man brauche eben Rituale und das hier wäre seins. Einmal hätte er die Reise gemacht auf der Hurtigrute gen Norden und wüsste, wie viel Schönes die Passagiere sehen werden. Damit radelt er davon und lässt mich mit meinem Fernweh allein. Ich will auch sofort auf das Schiff!!!

Stattdessen wandere ich ins Trondheim Kunstmuseum. Der untere Teil des wird gerade für eine neue Ausstellung vorbereitet, für den halben Preis komme ich also in den Genuss der zweiten Etage, wo gerade Werke der deutschen Künstlerin Mariele Neudecker ausgestellt werden. Der Ausstellungsraum begrüßt mich mit einem Lichterspiel, das den ganzen Raum erstrahlen lässt. Die Kunstwerke sprechen mich an, sind teilweise amüsant, anrührend, verwirrend. Das Konzept der Ausstellung ist klar und verständlich,  besonders gefällt mir das Nebeneinander von Alter und Moderner Kunst. Um das Finden von Gemeinsamkeiten gehe es dem Museum, informieren mich die Schilder zu den Themen „Macht“, „Landschaft“ und „Auge“.

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Mariele Neudecker 400 Thousand Generations

Ich treffe den Kurator Pontus Kyander im Treppenhaus und er entschuldigt sich für die Umbauten. Ich erkenne ihn wieder aus meiner Touristen-Abhak‘-Broschüre, er ist wie ich ein großer Dromedar-Kaffeehaus- Fan. Das erwähne ich natürlich nicht, sondern bedanke mich für die interessante Ausstellung und verspreche wieder zu kommen.

Dass ich nach Trondheim zurückkomme, steht außer Frage. Ich will diese Stadt, die mir so ungewöhnlich vertraut ist, unbedingt im Sommer erleben.  Ich will die Mönchsinsel besuchen und das St.Olafs-Festival, will die Kathedrale inmitten blühender Bäume sehen und in der Altstadt einen Kaffee vor dem Dromedar trinken. Martin teilt meine Meinung glücklicherweise und wir planen abends beim Inder unseren Sommerbesuch. Vielleicht auch einen Frühlingsbesuch. Und einen Herbstbesuch natürlich. Für jetzt aber heißt es nach drei Tagen aber leider: Tschüß, Trondheim! Bis ganz bald!

Als ich einige Stunden später im Schlafwagen schlaflos durch die Nacht ruckele, mag ich mein Leben mal wieder so richtig: Viel unterwegs sein, immer neue Dinge entdecken, das Ganze mit Martin zu teilen und hinterher darüber schreiben und es mit Euch teilen zu können. Und Oslo erklären, dass sie nun eine Nebenbuhlerin hat, das schaffe ich auch noch. Vielleicht haben Dreierbeziehungen ja doch einen guten Ausgang.

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Das war es für heute, meine lieben Leser. Ein langer Blog ist es geworden, ich hoffe, Ihr habt es bis hierhin geschafft! Solltet Ihr nach Norwegen kommen, besucht Trondheim auf alle Fälle! Ich bleibe nun ein paar Wochen in Oslo, bevor wahrscheinlich im Mai die Fähre nach Deutschland für einen kurzen Trip ablegt. Euch allen wünsche ich eine schöne Woche, lass es Euch gut gehen und habt einfach mal Spaß!

Meine Grüße gehen in dieser Woche an Imke und Kai in Hannover, ich drücke Euch und hoffe, dass ich Euch ein wenig zum Lachen gebracht habe.

Ha det,

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Fru Ella und ich

Ulrike