Ich – eine Yogini??? ODER Lustig machen über Mamayoga – geht nicht!

@Klaus Puth "Yoga für Kühe"

@Klaus Puth „Yoga für Kühe“

Leise Musik tanzt durch den Raum. Am Boden, eingewickelt in Decken, liegen 15 Frauen mit geschlossenen Augen. Außer tiefen, regelmäßigen Atemzügen ist nichts von ihnen zu hören.

Entspannung pur.

Wie lange geht das wohl noch?

Meine Blase drückt.

Hallo, meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier wieder treffen. Entschuldigt bitte den fehlenden Blog vom letzten Freitag. Wir hatten Besuch, das Wetter war so schön und ich hatte den Blog zwar angefangen, aber dann…äh…JA!…also dann kamen norwegische Trolle auf Skiern aus Brunost angefahren, schwangen sich mit Seilen aus Lakritze vom Bürgersteig auf unseren Balkon und…ENTFÜHRTEN MICH!

Ja, so war das.

Ich bin also völlig unschuldig, entschuldige mich aber trotzdem. Ich hätte auch aus trolliger Gefangenschaft irgendwie einen Blog schreiben können. Oder morsen. Oder singen.

Mea culpa.

Um mal wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Meine Blase drückte. Das tut sie seit ein paar Monaten und ich verbringe einen Teil meiner Zeit in gekacheltem Ambiente. Einen großen Teil meiner Zeit, um genau zu sein: Viele meiner Bücher sind mittlerweile ins Badezimmer umgezogen und zurzeit plane ich den idealen Standort des neuen Fernsehers. Nun ist eine drückende Blase in den eigenen vier Wänden eine relativ problemlose Angelegenheit, außer Haus kann sie zu Komplikationen führen.

Beispielsweise im Yogakurs.

Um es vorweg zu sagen: Ich hatte große Pläne, mich über Yoga für Schwangere lustig zu machen. Ehrlich! Eigentlich hatte ich mich nur beim Kurs angemeldet, um einen urkomischen Blog darüber zu schreiben. Und dann? Was passiert dann? Als ich voller Vorurteile und mit dem festen Willen zur Häme das erste Mal im Gemeinschaftshaus Sagene auf meiner Schurwollenmatte liege und der Stimme meiner Lehrerin lausche?

Ich fühle mich einfach nur sauwohl.

Und muss dann ein bisschen heulen, als mir bewusst wird, dass hier nicht nur fünfzehn erwachsene Frauen im Raum sind. Sondern auch fünfzehn noch ungeborene, funkelnagelneue Menschen, die in dicken Kugelbäuchen auf ihren großen Auftritt warten.

Hormone sind eine merkwürdige Sache, jaja.

(Ich realisiere gerade, dass dieser Blog eventuell manche Leser  abschreckt. Vielleicht vor allem Männer? Hm. Ok, Deal: Ich verspreche am Ende etwas über das CL-Finale von morgen zu schreiben, ok? – So, damit habe ich auch gleich ein paar  genderspezifische Vorurteile bedient. I am on a roll today!)

Zurück zum Yogakurs:

Ich hoffe, dass der weitere Verlauf mehr Komik-Ernte bringen wird. Der sandfarbengestrichene Raum bietet schon mal nichts: Drei nackte Wände, nur an der vierten ein großes, rechteckiges Wandbild mit in sich geschwungenen blauen und weißen Linien. Darunter am Boden ein niedriger, quadratischer Teaktisch mit einer weißen Orchidee und einer weißen Kerze. Heller Holzboden. Zwei Fenster mit weißen Vorhängen. Hm. Okay. Ich schließe einfach die Augen und entspanne weiter. Nach zehn Minuten Ruhephase beginnen wir mit Dehnübungen. Vermute ich. Die schwedische Lehrerin spricht einen Mix aus Norwegisch und Schwedisch, bei dem ich manchmal an meine Verständnisgrenzen stoße. Um nicht jedes Mal nachfragen zu müssen, halte ich mich an meine beiden Nachbarinnen und was die gerade machen, sieht eindeutig nach Dehnen aus. Und fühlt sich auch so an. Hilfe. Bei der Fragestunde am Anfang hatte sich gezeigt, dass ich die einzige Neu-Yoganerin bin. Das hätte ich aber gar nicht erwähnen müssen, das sieht man jetzt deutlich. Selbst unser Baby scheint zu lachen: Der Kugelbauch wackelt, als ich auf allen Vieren versuche, meinen linken Fuß möglichst elegant neben meine linke Schulter zu stellen.

„Und jetzt lang ausatmen und entspannen.“

Ja, klar. Ich schwanke wie ein Schiff auf hoher See. Ganz entspannt natürlich. Ha! Mein Gegenüber verliert auch ein bisschen das Gleichgewicht, was bei ihrem Bauch aber kein Wunder ist. Der Kurs richtet sich an Schwangere im dritten Trimester, also ab (laut Yoga-Broschüre) Woche 29 bis zum Geburtstermin. Nun ist ein Bauch in der 29. Woche schon nicht von schlechten Eltern, aber sooooo gewaltig dann wohl doch nicht. Mein Megabauch-Gegenüber trägt entweder Zwillinge in sich oder hat WIRKLICH spät mit dem Kurs angefangen. Nicht, dass wir hier noch Geburtshilfe leisten müssen!

Ich habe noch nie so viele Bäuche auf einmal gesehen. Manche Frauen, so unsere Lehrerin, fänden es entsetzlich, mit anderen Schwangeren in einem Raum zu sein. Manche fänden es herrlich. Ich gehöre eindeutig zur zweiten Kategorie. Sisterhood of babybellies! Die Schule macht einen ganz guten Umsatz, überlege ich weiter, während sich mein rechtes Knie verbiegt. Fünfzehn Frauen hier im Kurs, jede hat 1700,- NOK bezahlt, das rechnet sich schon. In Norwegen gibt es, anders als in Deutschland,  keine kostenlosen Schwangerschaftskurse. Selbst die Krankenhäuser verlangen für die angebotenen Geburtsklassen Geld. Woran das liegt, habe ich noch nicht herausgefunden, denn eigentlich sind alle Leistungen während der Schwangerschaft kostenlos (und das heißt was in Norwegen!). Aber so ist es nun einmal und ich bin, trotz verbogenem Knie, froh, hier zu sein. Aua.

Fertig, nächste Übung. Erleichtert begebe ich mich in die „barnestilling“, die Kindstellung. Auf den Knien, den Oberkörper nach vorne gebeugt, die Arme auf der Matte vor mir liegend, die Stirn am Boden. Angenehm. Die Stimme unserer Lehrerin schwingt durch den Raum, ruhig und melodisch. Ob Yogalehrer Sprechtraining erhalten? Gibt es lispelnde Yogalehrer? Oder eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit quiekigen Stimmen, die nie Yoga unterrichten dürfen? Und wo kommen diese irrwitzigen Gedanken her? Ruhe jetzt! Konzentration!

Ich lasse mich von der melodischen Stimme tragen und atme in den Bauch. Das Baby ist ganz ruhig.

Anscheinend bin ich einen Moment eingedöst (dass das in dieser Haltung möglich ist!), denn ich werde leicht an der Schulter berührt und die angenehme Stimme fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich blicke mich überrascht um – alle anderen Frauen befinden sich bereits in der Hundeposition und schwingen das Becken. Huch. Ab jetzt bin ich konzentrierter und folge den Übungen mit wachsender Begeisterung. Mein ganzer Körper fühlte sich warm an und wie durchgeknetet. Nach 45 Minuten Übungen wechseln wir in die abschließende Entspannungsphase, die uns auch gedanklich auf die Geburt vorbereiten soll:

„Ich vertraue meinem Körper. Mein Körper ist perfekt für eine Geburt gebaut. Ich stelle mich meiner Angst und wandele sie um in Kraft. Mein Körper ist schön. Ich werde eine gute Mutter sein.“

Ich weiß, ich weiß, es ist klingt zum Brüllen. Mario Barth könnte damit sein humorverirrtes Publikum begeistern und jede selbstironische (und nicht schwangere) Autorin darüber Witze reißen. Die Sache ist nur die: Die Sätze beruhigen mich. Tun mir gut. Und zwar ganz extrem. Mein Mantra ist „Ich vertraue meinem Körper.“ Der Satz wird mich durch die nächsten Monate und die Geburt bringen. IHR seid überrascht davon? Na, fragt mich mal. Ich, die ich über fast jedes Thema Witze machen kann. Beim Mamayoga? Nix – Schweigen. Aber später!! Dann, wenn die ganze Hormonbasis hoffentlich wieder auf „Normal“ läuft, dann werde ich darüber Witze reißen, die zum Schenkelklopfen sind. Ehrlich! Bereitet Euch schon mal vor, holt Zweithosen und Taschentücher. Es wird urkomisch!

Das Mantra ist vorbei, und wir liegen entspannt am Boden und atmen. Eine wunderbare Ruhe breitet sich aus.

Da meldet sich meine Blase.

Oh nein. Oh oh. Wahrscheinlich ist das Baby beim Beckenkreiseln verrutscht, denn ich befinde mich nicht in einer „Hm, ich glaube, ich sollte bald mal auf die Toilette gehen“-Stimmung, sondern in akutem Blasenalarm. „KLO! SOFORT!“ lautet mein einziger Gedanke.

Nee, Ulrike, komm, wenn du jetzt aufstehst, dann erschreckst du alle in ihrer Tiefenentspannung, wer weiß, der Megabauch von gegenüber bekommt vielleicht Wehen vor Schreck und dann …

Es hilft nichts. Wie ein angestochener Elefant wälze ich von meiner Matte, werfe der Lehrerin einen erklärenden Blick zu und jogge ins befreiende Kachelambiente.

Ich sage es ja, ich bin die einzige blutige Yoga-Anfängerin. Die anderen Frauen halten ihre Blase bestimmt mit einer Beckenboden-Übung unter Kontrolle!

Namaste.

***

Das war es für heute, meine lieben Leser! Ich wünsche Euch allen eine tolle Woche, lacht viel, entspannt auch mal und lasst Euch immer wieder überraschen! Meine wöchentlichen Grüße gehen diesmal an Martins Oma Anneliese, die morgen ihren 100. Geburtstag feiert (und hoffentlich nicht aus dem Fenster klettert und verschwindet…)! Hipp hipp hurra!! Und wie versprochen nun noch zum Schluss der Satz zum morgigen Finale der Champions League: Madrid wird Meister, soviel steht fest!

Ha det bra,

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(Auf der heimatlichen Yoga-Matte, aus ungewöhnlicher Perspektive…wo sind meine Füße????)

Ulrike