Die schwarzhaarigste Frau der Welt und ich lachten uns an. Beschwingt stieg ich die Treppen runter zum Ausgang der Schule. Der schriftliche Teil war erledigt! Juchhuuuuuu! – Keine fünf Sekunden hielt die Freude, dann der Gedanke: Und morgen kommt die mündliche Prüfung.
Hallo, meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Heute nehme ich Euch also mit in Raum 324 in Gebäude A der Rosenhoffschule in Oslo. Am Abend vor der Prüfung informierten mich via facebook andere Prüflingen bereits über mögliche Themen: „Braucht die Welt mehr Vegetarier?“ – „Was macht dich im Leben glücklich?“ – „Sind Norweger zurückhaltend?“ – und und und. Viel zu viele Themen, als dass ich mich irgendwie hätte darauf vorbereiten können. Meine mündliche Vorbereitung war eh mager gewesen. Was daran liegt: Ich rede nicht gern Norwegisch. Blöd, was? Es passiert mir immer noch zu oft, dass man mir auf Englisch antwortet oder das Gegenüber nachfragen muss, weil sie mich nicht verstanden haben. Das wird natürlich nicht besser dadurch, dass ich nicht rede.
Ein Teufelskreis!!!
Naja, ich habe es halt ein bisschen sportlich genommen und gedacht: „Das wird schon, im Notfall spielst du ein bisschen Theater und bringst sie zum Lachen – dann habt Ihr wenigstens Spaß in der Prüfung.“
30 Minuten zu früh stand ich vor Raum 324. Das war praktisch, konnte ich mich doch mit den anderen Prüflingen unterhalten (auf Norwegisch, klar) und das war ein bisschen wie Aufwärmen. Machen wir in der Theatergruppe auch immer, das hilft. Dann tauchte auch mein Prüfungspartner auf: Ein sympathischer Mittdreißiger aus Mexico, mit dem ich mich gleich blendend verstand. Wir beschlossen, in der Prüfung einfach eine gute Zeit zu haben. Die Tür öffnete sich und eine Prüferin, die aussah wie die stereotype Klischeelehrerin (doppelt gemoppelt hält besser), rief die nächsten Prüflinge hinein. Oh Himmel, von der wollte ich aber nicht geprüft werden. Dunkler Pagenkopf, schwarzumrandete Brille und ein verkniffenes Lächeln schmückten die im Herzen bestimmt gute Frau.
Mit meinen Theaterspäßen hätte ich bei ihr keine Chance, soviel war sicher.
Mein mexikanischer Partner und ich erzählten uns dann weiter von unseren tollen Kindern und ich wurde von Minute zu MInute nervöser. Aber dann wurden wir aufgerufen – und die Aufregung war weg. Genau wie auf der Bühne.
Gleich beim Eintreten stelle ich beruhigt fest, dass nicht der Pagenkopf sondern eine gemütliche, blonde Dame mit nettem Lächeln unsere Gesprächspartnerin war. Sie stellte sich kurz vor, wir erledigten alle Formalitäten und dann ging es los. Vorstellen sollten wir uns kurz. Ich durfte beginnen, erzählte wer ich bin, warum ich in Oslo bin und was ich hier mache.
Das ging prima, ich hatte sogar Spaß an der Sache.
„Ja, danke!“ beendete mich die Prüferin dann und forderte meinen Prüfungspartner auf, sich vorzustellen. „Aber ganz kurz, bitte.“
Huch. Hatte ich zuviel geredet???
Egal, weiter im Text. Nun bekam jeder von uns eine Frage gestellt, die wir alleine beantworten sollten. Wieder durfte ich anfangen. Meine Frage lautete: „Was ist nötig, damit man sich in einem neuen Land wohlfühlt?“
Hmpf. Die Frage lag mir irgendwie nicht und ich begann von Freunden und Hobbies zu reden, Versuchen zur Integration (in Norwegen also beispielsweise mit dem Langlauf zu beginnen) und wie wichtig es sei, die Landessprache zu sprechen. Viel heiße Luft war in der Antwort – aber es ging ja mehr darum, wie ich antwortete, weniger WAS, hoffte ich.
Dass das WAS man antwortete aber nicht ganz unwichtig war, erlebte ich, als mein mexikanischer Partner seine Einzelfrage falsch verstand. Antworten sollte er auf die Frage, welche kulturellen Ereignisse (Feiertage etc.) er in Norwegen besonders interessant fände und warum. Anscheinend hatte er aber nur verstanden, er solle etwas über die Kultur des Landes sagen. Sehr eloquent verglich er die norwegische Kultur (im Sinne von Mentalität) dann mit der mexikanischen. Und stellte dann als größten Unterschied dar, dass in Mexiko vieles eigenständig geregelt werde, während die Norweger, seiner Meinung nach, einen großen Teil der Verantwortung dem Staat überlassen. Kindergärten und Altersheime waren für ihn beispielsweise ein Zeichen von schlechter Familienmoral.
Hm.
Das Lächeln der Prüferin wurde etwas schmaler, sie wies ihn kurz darauf hin, dass er das Thema aus einem interessanten, wenn auch nicht gefragten Blickwinkel beantwortet hätte. Machte sich eine kurze Notiz und ging über zur nächsten Frage.
Oh boy, war es geschickt, Norwegen zu kritisieren? Oder kam das nur bei mir als Kritik an?
Die nächste Frage ging an uns gemeinsam. Was einen guten Arbeitnehmer ausmache, sollten wir diskutieren. Es folgte ein fröhliches Ping-Pong-Spiel, es machte Spaß, mit ihm zu diskutieren, wir gingen auf das ein, was der andere sagte, verbesserten, wenn etwas falsch lief und die Aufgabe schien gut gelöst zu sein. Die Zeit verflog! Vor der Tür wirkte der Gedanke an eine 25-minütige Prüfung noch ungeheuerlich – nun raste die Zeit nur so dahin!
Die letzte Einzelfrage für uns beide kam. Mein Gegenüber bekam die anfangs erwähnte Frage über Vegetarier – und legte eine derartig strukturierte und gutformulierte Antwort hin, dass ich fast vom Stuhl fiel. Ich hätte ihn völlig entgeistert angestarrt, lachte er hinterher und gab zu, dass sie genau dieses Thema in seiner Norwegischklasse noch kurz vor der Prüfung besprochen hätten.
Na, hatte der ein Schwein!
Ach nee, hatte der Tofu 🙂
Ich sollte, noch völlig beeindruckt ob seiner Leistung, dann die letzte Prüfungsfrage beantworten: „Sollen alle Menschen in Norwegen Stimmrecht erhalten?“
Nein.
Diese vier Buchstaben sagten alles aus, fand ich. Spaß beiseite, das Thema fand ich spannend und legte los – leicht chaotisch und gedanklich hin und her springend, aber immerhin auf Norwegisch. Auch wenn ich in meinem Enthusiasmus ein oder zwei deutsche Wörter einbaute und ein paar norwegische erfand – ich hatte Spaß und versuchte, so flüssig wie möglich zu reden. Das hatte ich nämlich in einem Blogg gelesen: Die Prüfer würden eher mal einen grammatikalischen Fehler verschmerzen als eine stockende, zähe Sprechweise.
Tja, und dann war es vorbei. Wir packten unsere Sachen, verabschiedeten uns von den beiden Prüferinnen und gingen vor die Tür. Lachten erleichtert und erzählten denen, die draußen warteten, alles wäre nur halb so schlimm.
„Ta det med ro,“ hatte man mir vor der Prüfung gesagt. Ruhig bleiben. Ja und das ist wirklich der beste Tipp. Ruhig bleiben und versuchen, Spaß zu haben.
Und im Januar sehe ich dann, ob das gereicht hat!
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So, meine lieben Leser, das war es für heute und mit diesem Artikel verabschiede ich mich in die Weihnachtspause. Bestimmt melde ich mich für gute Wünsche nochmal kurz, aber der erste normale Artikel kommt am 6. Januar 2017. Bis dahin wünsche ich Euch und Euren Familien und Freunden ein Frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Danke an Euch alle fürs Lesen und Kommentieren, es ist toll, dass Ihr da seid. Meine wöchentlichen Grüße gehen also an Euch, liebe Leser, wo immer Ihr auch seid. Lasst es Euch gut gehen, wir lesen uns in 2017!
God jul og et riktig godt nytt år!
Ulrike (so sieht es bei uns im Viertel gerade aus, schön weihnachtlicher bondensmarked am Valkyrieplass in Majorstuen)