
Kennt Ihr das? Da hat man so eine Eigenschaft, die irgendwie hervorsticht. Andere schütteln darüber den Kopf; häufig hat diese Eigenschaft schon zu blöden Situationen geführt. Ja und dann ist Dezember und man…also ich…nehme mir vor: “Ok, daran arbeite ich! Das wird mein guter Vorsatz im neuen Jahr! Das werde ich ändern!”
Hm.
Und dann denke ich plötzlich: “Laaaaaaaaaangweilig!!!!”
Und beschließe, dass ich nun mal eine Rampensau bin, da lässt sich leider nichts machen, ich muss mich in den Vordergrund drängeln und echauffieren, so ist das nun mal, das kann ja auch ganz unterhaltsam sein und man lebt nur einmal und ich kann ja in meinem nächsten Leben die schweigsame, nachdenkliche, kritisische Beobachterin sein. – Und deswegen schreibe ich jetzt doch über meine Prüfung, was ich eigentlich nicht machen wollte, weil wen interessiert das eigentlich wirklich und dann wiederum, ist ja immerhin mein Blog und Ihr kommt ja schließlich wieder, ist doch alles prima und nun hier also: Meine Norwegisch-Prüfung!
Hallo, meine Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Meine letzte Prüfung ist schon ziemlich lange her. Im Jahr 2003, um genau zu sein. Da saß ich im Theatersaal der Uni in Hildesheim und versuchte meine Prüfer davon zu überzeugen, dass ich irgendetwas im Studium gelernt hatte. Das klappte, auch wenn mein Theaterprofessor fast tot vom Stuhl kippte, als ich den Begriff “Katharsis” falsch erklärte.
Kann ja mal passieren.
Nach 13 Jahren Prüfungsleere stehe ich also am Mittwoch letzter Woche pünktlich um 7.45 Uhr in der Rosenhoffschule in Oslo und bin genauso nervös wie 2003. So ein Blödsinn, denke ich, was soll denn das? Um mich herum sitzen und stehen andere Prüflinge, viele Araber und Polen, Inder und Afrikaner und alle wirken ganz ruhig. Nur mir gegenüber sitzt eine junge Frau mit den schwärzesten Haaren, die ich jemals gesehen habe und kriecht fast in ihre Vokalbelliste. Die Frau behalte ich im Auge. Sie beruhigt mich irgendwie.
8 Uhr. Wir warten immer noch. Zwei junge Typen hechten aufgeregt und ganz unnorwegisch zwischen den beiden Prüfungsräumen hin und her. Na, die helfen meiner Aufregung auch nicht. Dann atme ich jetzt eben. Ein und aus, ganz ruhig. Ich will nur Level B1, wie schwierig kann das sein?
“Naja, du willst eigentlich schon B2.”
“Schnauze, atmen.”
Mein Gewissen fliegt kurz raus und im selben Moment öffnen sich die Türen und wir strömen in den Prüfungsraum, wo zahlreiche Computerbildschirme auf ihre Benutzer warten. Ich sitze bald neben einer Mutter aus Guinea, die seit vier Jahren in Norwegen ist und auch ganz ruhig wirkt. Unsere drei Bewacher…Helfer…Prüfer…erklären uns die Prozedur, wir geben Handys, Jacken und Taschen ab, unterschreiben und kaufen damit wahrscheinlich einen Staubsauger, aber das wäre mir auch egal, ich mache, was die sagen!
Um 8.15 startet die Leseprüfung. Ich werde ruhiger – das hier kann ich. Die schriftliche Prüfung besteht aus drei Teilen: Lesen, Hören, Schreiben. Lesen mag ich, die Texte sind gut zu verstehen, ich hänge bei den Begriffen “vedlikehold” und “by på noe”, baue mir einen Sinn zusammen und habe, wie ich nach der Prüfung sehe, Recht damit. Puuh. Früher als die anderen bin ich fertig, gehe aufs Klo (begleitet von einer Prüferin), setze mich dann zurück an meinen Platz und warte.
Nächster Teil: Mein Hörverständnis wird getestet. Die Art der Übungen kenne ich von norsklab.no oder von voxdemo, das macht es einfacher. Allerdings rutschen die Kopfhörer. Ich hasse Kopfhörer, hatte nie einen Walkman, Discman, ipod oder ähnliches und das rächt sich anscheinend jetzt. Ich fluche und klemme die störrischen Dinger zwischen Schulter und Ohr und lausche. Dieser Test läuft anders als die Leseprüfung: Beantwortet man hier die Fragen richtig, geht der Test immer weiter und weiter und weiter. Beantwortet man eine oder mehrere (da bin ich jetzt unsicher) Fragen aber falsch, stoppt der Test und der Prüfling ist fertig. Wie gesagt, Lesen und Hören kann ich gut, mein passiver Wortschatz ist groß, ich bleibe also sitzen, während um mich herum immer mehr Leute aufstehen und in die Pause gehen.
Und nun, liebe Rosenhoff-Schule, ein Vorschlag für kommende Prüfungen: Niemand darf den Raum verlassen, bis ALLE fertig sind. Weil – es stört gewaltig, wenn Stühle knarren und Schritte klappern und Daunenjacken rascheln, während man versucht, den norwegischen Text zu verstehen, der aus dem rutschenden Kopfhörer kommt. Ich musste am Ende der Leseprobe auch 15 Minuten warten bis alle fertig waren, das ist kein großer Deal.
Die letzte Höraufgabe habe ich also, pardon my language, verkackt, weil so viel Trubel war.
Und das hat mich echt genervt.
Man kann den Test nämlich auch nicht stoppen und warten, bis Ruhe einkehrt. Nee, nee, der läuft automatisch durch. Oder stoppt eben.
Gut, ist ja nicht so tragisch.
„Hehe, du hast dich so geärgert!“
„Quatsch, so schlimm fand ich das nicht!“
„Hahahahahahaha, doooooooch!“
„Ich habe heute schon zugegeben, dass ich eine Rampensau bin, reicht das nicht?“
„Hahahahahaha!“
Weiter im Text.
Nach der Pause dann mein Horrorteil. Schreiben. 90 Minuten habe ich Zeit für zwei Aufgaben: Zuerst soll ich mich bei der Stadt beschweren, dass sie in meiner Nachbarschaft ein Parkhaus bauen wollen (mindestens 80 Wörter). Danach habe ich die Wahl, 250-350 Wörter über ein Werbeverbot für forbrukslån (Kredit ohne Sicherheiten) zu schreiben oder über das Zulassen von technischen Hilfsmitteln bei der Norwegischprüfung.
Hallo? Ich hätte gerne neue Themen! Die hier finde ich langweilig, ätzend, menno.
Um mich rum hauen schon alle in die Tasten.
—
Ich habe es geahnt, Schreiben wird mein Norwegischprüfungswaterloo. Ok, jetzt geht es los. Konzentration auf ein Parkhaus. Blick auf die Tastatur.
—
Die hätten sie auch mal putzen können.
—
Ach guck, hier sind die norwegischen Extrabuchstaben schon direkt auf der Tastatur.
—
Ich habe Hunger.
—
Oh guck, ein Vogel!
—
Ich muss mal.
—
Mist, ich muss Gummistiefel kaufen.
—
ULRIKE! LOS JETZT! PARKHAUS!
—
Ich habe einen echten Black out. Mein Kopf weigert sich, meine Hände streiken und ich gerate in eine gepflegte Panik.

Um mich herum rege Aktivität. Noch 80 Minuten. In meiner gepflegten Panik greife ich zu einem Trick, den ich beim fantastischen Hanns-Josef Ortheil im Seminar Kreatives Schreiben gelernt habe: Bei Schreibblockaden tief durchatmen und dann einfach lostippen. Nicht über die Struktur nachdenken, einfach ab auf die Tasten/an die Stifte und los. Nach 5 Minuten aufhören und gucken, was passiert ist.
Tja und das mache ich dann.
Und es funktioniert.Wie immer.
Die Stadt bekommt eine Beschwerdeemail von mir zu ihrem Plan, ein Parkhaus in meiner Nachbarschaft zu bauen. Ich muss den Text sogar kürzen! Das Tolle an der Kamikaze-5-Minuten-Schreibmethode ist, dass man erstens am Ende einen langen Text hat, mit dem man arbeiten kann und zweitens ganz oft während des Schreibens Strukturen und Ideen auftauchen – man also quasi während des Schreibens den Text entwickelt.
Beflügelt von diesem ersten Schreiberfolg stürze ich mich auf die zweite Aufgabe. Ich entscheide mich für das Werbeverbot und den Kredit ohne Sicherheiten. Läuft auch ganz gut. Hinterher stelle ich leider fest, dass ich den Text NUR auf TV-Werbung bezogen habe, dabei ging es in der Frage um Werbung im Allgemeinen. Außerdem habe ich mich bei der 50-50 Chance, ob das Wort lån einen männlichen oder sachlichen Artikel hat, falsch entschieden und weiß nun, bis in alle Ewigkeit, dass es et lån heißt, nicht en lån – auch wenn ich finde, dass sich en lån besser liest.
Naja.
Die Zeit ist knapp, sehr sehr knapp – kaum habe ich den Text einmal grob Korrektur gelesen, heißt es: “Noch fünf Minuten.”
Und dann ist die schriftliche Prüfung vorbei.
Puuh.
Alle einmal ausatmen, bitte. Wir sammeln unsere Handys, Jacken und Taschen ein und gehen. Die Frau mit den schwärzesten Haaren der Welt kramt ihre Vokabelliste aus der Jackentasche und wirft sie schwungvoll in den Papierkorb.
Wir lachen uns an.
***
So, meine lieben Leser, das war es für heute. Über die mündliche Prüfung erzähle ich nächste Woche, ich muss nämlich heute noch backen und putzen und raus will ich auch, weil das Wetter gerade schön ist! Ich wünsche uns allen eine tolle Woche, einen schönen dritten Advent. Bleibt, wie Ihr seid!
An dieser Stelle ein dickes Danke an unsere Freunde Jeanette und Stephan, die sich an den Prüfungstagen (an denen Martin in Moskau war) um Gesa gekümmert haben! Danke fürs Bespaßen, zum Kindergarten bringen, vom Kindergarten holen und Spielen. Ihr seid die Besten.
Und nun geht alle raus und genießt die Sonne!
Ha det,

Ulrike
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