„Petter Nordhug: Ich scheiße auf Janteloven!“ titelte das Online-Magazin abc nyheter Ende Januar. Zwar hat die Kreativität der Journalisten viel zu diesem angeblichen Zitat des norwegischen Skiläufers beigetragen. Aber vielleicht ist doch etwas Wahres dran? Vielleicht? Das wäre ja unerhört! Ein Norweger, der das moralische Grundgesetz der Nation verachtet! Skandal!
Willkommen meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Ich bin nicht so ganz auf dem Damm (danke an die- oder denjenigen, dessen Viren sich in gerade munter in meinem System tummeln) und werde mich etwas kürzer fassen. Aber wie sagt man hier in Norwegen so schön: Kortfattethet er sjelen av vidd.
In der Kürze liegt die Würze.
Zurück also zu Petter und seiner fäkalen Aussage zu Janteloven, den Zehn Geboten Skandinaviens, die aber meist als Einheit betrachtet werden und im Grunde nichts anderes sagen als:
Denk bloß nicht, du bist was Besonderes.
Na, das sitzt erstmal.
In unserer ruhm-geilen Welt voller DSDS, Youtube und facebook scheint eine derartige Aussage völlig fehl am Platz. Gerade das Gegenteil ist uns wichtig: Wir SIND was Besonderes. Wir überbieten uns mit abenteuerlichen Geschichten, erlebten oder erfundenen Krankheiten, Lobtiraden vom Chef/Kollegen/Kunden, neu gekauften Autos oder smartphones, ja sogar mit Hilfeleistungen oder verteilten Freundlichkeiten versuchen wir zu konkurrieren.
Denk bloß nicht, du bist was Besonderes.
Wer gerade zustimmend nickt, sollte nochmal kurz und scharf nachdenken.
Nur vorsichtshalber.
ICH kann von MIR nur sagen:
Natürlich halte ich mich für etwas Besonderes. Hallo???? Was denn sonst?
Anscheinend bin ich dafür im falschen Land.
Vielleicht sollte ich in die USA auswandern?
Nun mal halt, ganz langsam. Bevor ich anfange, die Koffer zu packen, sollten wir uns Janteloven genauer angucken.
Das vom dänischen Schriftsteller Aksel Sandemose 1933 beschriebene Moralkonzept besteht aus zehn Geboten. Here they are:
- Du skal ikke troe at du er noe. – Glaube nicht, dass du etwas bist.
- Du skal ikke tro at du er like så meget som oss.- Glaube nicht, dass du so bist wie wir.
- Du skal ikke tro du er klokere enn oss.- Glaube nicht, dass du klüger bist als wir.
- Du skal ikke innbille deg du er bedre enn oss. – Bilde dir nicht ein, dass du besser bist als wir.
- Du skal ikke tro du vet mere enn oss.- Glaube nicht, dass du mehr weißt als wir.
- Du skal ikke tro du er mere enn oss.- Glaube nicht, dass du wichtiger bist als wir.
- Du skal ikke tro at du duger til noe.- Glaube nicht, dass du irgendetwas gut kannst.
- Du skal ikke le av oss. – Lach nicht über uns.
- Du skal ikke tro at noen bryr seg om deg.- Glaube nicht, dass sich irgendwer um dich sorgt.
- Du skal ikke tro at du kan lære oss noe. – Glaube nicht, dass du uns etwas lehren kannst.
So, das lassen wir erst mal sacken. Hurra auf das WIR! Es lebe das WIR! Ich fühle mich an die Borgs aus Star Trek erinnert. An die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking. Mal ehrlich: Im ersten Moment hört sich das alles sehr entmutigend an. Das Janteloven fordert eine permanente Selbstkritik von mir; es unterbindet Originalität und Aus-der-Reihe-tanzen. Es zerhackt meine Selbstachtung wie ein norwegischer Bauer sein Holz im Winter.
Auf der anderen Seite fördert es Gleichheit und Fairness. Es macht die Gesellschaft zum Zentrum, zur wichtigsten Einheit. Es behauptet, dass jeder seinen Teil tun muss, damit das Ganze funktioniert. Aber sich darauf dann nichts einbilden soll. Nicht ohne Grund sind die skandinavischen Länder Vorreiter in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Und mancher leistungs- und profilorientierten Gesellschaft könnte ein Schuss Janteloven gut tun.
Konformität gegen Originalität. Vielleicht war das Jantelov in seiner Entstehungszeit ein Mittel zum Überleben. Wie anders sollte eine kleine Gemeinschaft funktionieren, als dass jedes Mitglied den gleichen Regeln folgte? Früher war die Familie oder das Dorf die Garantie um zu überleben.
Ich bin verwirrt.
Und irgendwie passt es auch nicht zu dem, was ich hier tagtäglich um mich herum erlebe. Hier wird geprotzt mit neuen Autos, Rädern, smartphones, dem allgemeinen Reichtum des Landes. Das nervt mittlerweile selbst die skandinavischen Nachbarn. Es wird gewetteifert im Sport und im alltäglichen Leben. Im Fernsehen laufen US-Serien, die dem Jantelov höhnisch ins Gesicht lachen. Aber vielleicht sitzt es trotzallem ganz tief drin in den Norwegern und allen, die hier länger leben.
Wer weiß, vielleicht ist es ja auch schon in mir drin??
Obwohl, nein, ich scheine mit dem Anti-Jantelov übereinzustimmen, das da lautet:
- Du er enestående. – Du bist einzigartig.
- Du er mere verdt enn noen kan måle. – Du bist mehr wert, als andere messen können.
- Du kan noe som er spesielt for deg. – Du kannst etwas Besonderes.
- Du har noe å gi andre.- Du hast anderen etwas zu geben.
- Du har gjort noe du kan være stolt av.- Du hast etwas gemacht, auf das du stolz sein kannst.
- Du har store ubrukte ressurser. – Du hast große, ungenutzte Reserven in dir.
- Du duger til noe. – Du bist zu etwas nutze.
- Du kan godta andre. – Du kannst andere akzeptieren.
- Du har evner til å forstå og lære av andre. – Du hast die Fähigkeit, andere zu verstehen und von ihnen zu lernen.
- Det er noen som er glad i deg. – Es gibt jemanden, der dich liebt.
Vielleicht ist eine Mischung beider „Gesetze“ die Lösung!
Was denkt Ihr?
Das war es schon wieder für heute, meine lieben in 7er-Gruppen erstaunt guckenden Leser. Ja, irgendwie haben die Viren den Blog heute etwas seriöser gemacht.
Tut mir ja jetzt leid.
Nächste Woche geht’s hier wieder lustiger zur Sache!! Jawoll. Dann war ich nämlich im Astrup Fearnley Museum für Moderne Kunst und bin durch eine aufgesägte Kuh gegangen. Das hört sich doch nach Spaß an.
Nun gehen die Viren und ich aber erst mal wieder aufs Sofa.
Euch allen wünsche ich eine tolle Woche, überprüft mal Eure Moral, lasst Euch nicht unterkriegen aber fliegt auch nicht zu hoch und vergesst nicht: Ich finde Euch alle toll!
Ha det bra,
Ulrike