
King Features sync.
“Häh?” Ich starre verwirrt auf das Maschenchaos in meiner Hand. Um meinen linken Daumen hängt eine wollene Schlinge, in der rechten Hand halte ich die dicke Nadel. So weit, so gut. Aber dazwischen herrscht Chaos. Hilfesuchender Blick in das Anleitungsbuch: “Nicht aufgeben. Es sieht chaotisch aus? Dann ist es wahrscheinlich richtig.” Ah, prima. Dann werde ich also doch bald eine Meisterin im nålebindning, dem Wikinger-Häkeln. Und das alles wegen Bassi!

Vikingskipshuset. Foto: Kulturhistorisk museum,UiO/ Eirik Irgens Johnsen .
Hallo, meine Leser, wie schön, dass wir uns hier wieder treffen! Es gibt Museen in Oslo, da reicht mir ein Besuch. Nicht so beim Wikingerschiffmuseum auf Bygdøy! Dorthin verschlägt es mich immer wieder gerne. Am Mittwoch habe ich es zusammen mit Neffen Bassi besucht, der tollerweise für ein paar Tage in Oslo war. Diesmal erlebte ich am Eingang eine Überraschung: Ein Mitarbeiter der Uni Oslo fragte uns, ob wir eine kostenlose Tour durch das Museum haben wollten. Kostenlos? IMMER! Und dafür sollten wir nur eine Museums-App testen. Er stattete uns mit Handy und Kopfhörern aus und los ging es.
Ich mag die Schlichtheit im Museum. Drei Wikingerschiffe sind hier ausgestellt, jedes in einem eigenen Gebäudeflügel. Ein ganzer Gebäudeflügel und darin: Ein gewaltiges, schwarzes Holzschiff, meterhoch und unverziert. Dieses Schiff (oder Teile davon, natürlich ist einiges restauriert) ist vor ca. 1300 Jahren über das Meer gefahren. Dann wurde es als Grabschiff für einen Wikingerkönig oder zwei reiche, wichtige Frauen eines Wikingerdorfes genutzt und verschwand. Tausend Jahre später, im Falle des Gokstadschiffes, buddeln zwei gelangweilte Bauernsöhne auf dem Grund ihres Vaters und entdecken die Überreste. Eine langjährige Ausgrabung und Restauration erfolgt. Und nun steht das best-restaurierte Wikingerschiff der Welt so gewaltig vor mir und ich bin wieder begeistert. Komisch, dabei habe ich es sonst gar nicht so mit Schiffen oder Wikingern oder uralten Zeiten. Wer weiß, vielleicht war ich in einem anderen Leben….
Noch bevor ich weiterdenken kann, piepst die App. Ach ja, wir haben ja hier eine Aufgabe! Irgendwie erkennt das Handy, wo genau ich mich im Museum befinde und schickt mir die passenden Infos. Das ist spannend! Bassi und ich klettern auf eine der zwei Aussichtsemporen und begucken die Schiffe aus der Höhe. Auch spannend. Wie immer!
Als wir durch die Abteilung mit Alltagsgegenständen bummeln, erzählt die App von den bunten Farben, die damals beispielsweise den Schlitten, vor dem ich stehe, verziert haben. Keine Ahnung, wie es Euch geht – ich habe immer Schwierigkeiten, mir die Vergangenheit “bunt” vorzustellen. Die Wikingerzeit präsentiert sich hier im Museum in schwarz, braun und bronze und ich wünschte, ich könnte die Originalfarben auf Holz oder Stoff sehen.
Wir drehen noch eine letzte Runde an allen Schiffen vorbei. Bei der Handyrückgabe stellt uns der freundliche Uni-Mitarbeiter noch einige Fragen zu den Schiffen, puuh, ist ja wie im Examen hier. Na, aber wir wissen fast alles und er zieht zufrieden von dannen. Was machen wir denn nun mit den gesparten 100 Kronen pro Person? Ha, nichts leichter als das: ich gehe entschlossen in den Museumshop auf der Suche nach einem interessanten Souvenir.
Ich liiiiiiiebe Museumshops. Manchmal würde ich am liebsten NUR in den Shop gehen und das Museum links liegen lassen. Der Shop im Zoologischen Museum beispielsweise ist toll oder der in der Nationalgalerie. Der hier im Wikingermuseum ist klein, aber interessant. Wir staunen über ein gläserner Wikingerschiff für unglaubliche 47.000 Kronen, probieren Helme und Mützen auf, greifen zu Holzschwertern. Beim letzten Besuch habe ich das “Viking Cookbook” gekauft, tja und diesmal….hm…
Oh, was ist das denn?
Ein Buch mit dem Titel “Nålbindning” lacht mir entgegen – auf den ersten Blick scheint das Häkeln zu sein, oder was? Zwei Hände halten eine Nadel und einen Faden. Ich trete näher. Hm, so eine Art Wikingerhäkeln oder –stricken. Die passende Nadel gibt es gleich dazu, sehe ich, und mit den Worten “Das ist doch was für meinen Blog!” verschwinde ich zur Kasse.
Tja, und nun sitze ich hier. Und schaffe Chaos. Immerhin habe ich gelernt, dass nålbindning Schwedisch ist, auf Norwegisch heißt es “nålebindning”. Dann lerne ich, dass nålebindning (im Deutschen „Nadelbinden“) eine Urahnin vom Häkeln und Stricken ist. Die Kunst hat aber, dank der Wärme und Strapazierfähigkeit ihrer Produkte, überlebt.

Sieht das schön kuschelig aus!!!
In ganz Skandinavien fanden sich bei Ausgrabungen Kleidungsstücke, die in dieser Technik hergestellt wurden. Heute geht man davon aus, dass schon in der Bronzezeit „gebunden“ wurde.
Schnell lerne ich auch, dass es ganz schön kompliziert ist, wie alles, was man sich versucht, selber anhand von Bildern und Büchern beizubringen. Bisher ist mir unklar, ob ich einzelne Bänder “binde” und die dann zusammensetze und daraus eine Mütze, Jacke oder Windel mache, oder ob das anders geht. Ich sitze noch an den ersten Maschen, den sogenannten “Oslo-Maschen”, so genannt, weil hier in der Gegend ein Textilstück entdeckt wurde, das aus einer bestimmten Art Maschen gebunden wurde. Ist ja passend, was?
Im Internet gibt es ja alles – natürlich auch Videos zu “nålebindning”. Unter anderen eines, dass mir die Oslo-Masche auf Englisch und FINNISCH erklärt. Sehr unterhaltsam!
Ich binde mal weiter. Ziel: Eine Mütze. Ich gucke mir das Wollgewusel in meiner Hand an und denke: Naja, der Winter 2020 wird bestimmt auch kalt…..
***
So, meine lieben Leser, das war es schon für heute! Guckt doch mal im Internet und greift auch zur Nadel. Eine dickere Stopfnadel reicht dafür auch. Das Wikingerschiffmuseum lohnt sich wirklich und wer ab April in Oslo ist, sollte sich einen Bescuh erst recht nicht entgehen lassen: Ein 3D-Film bringt ab April die Wikingerschiffe an der Decke des Museums zum Leben! Das klingt spannend – ich bin auf jeden Fall dabei!
Meine wöchentlichen Grüße gehen dieses Mal an Imke, Mia und Bianca, die mir in der letzten Woche fix wie der Wind in den Wikingersegeln die Antworten zum Jahresquiz geschickt haben. Wer noch Lust hat: Unter ulrike_niemann@yahoo.no freue ich mich auch diese Woche noch über Antworten. Und Ihr Euch dann über Post aus Oslo – schickt also Eure Adressen mit!
Und noch eine ganz andere Sache: Gestern piepste mein Handy und ich bekam die Noten meiner Norwegischprüfung! Schriftlich/Hören/Lesen B2 und mündlich B1 – ich bin mehr als zufrieden!!
Euch allen wünsche ich eine schöne Woche, lernt mal wieder was Neues, vergesst nicht zu lachen und jemanden in den Arm zu nehmen. Nächste Woche nehme ich Euch mit in meine Küche und wir backen Nuss-Honig-Kuchen – so wie die Wikinger!
Ha det bra,
Ulrike (na, man erkennt doch was!!!)