Slapp av, det ordner seg! ODER In der (norwegischen) Ruhe liegt die (norwegische) Kraft…

Ich stehe mit meinem übervollen Einkaufskorb an der Supermarktkasse, stecke der quengeligen Gesa ein Stück Banane in den Mund, gucke gleichzeitig auf mein Handy und stelle fest: Ich bin zu spät. Ich hasse es, zu spät zu sein. Und nun fängt die Frau vor mir auch noch ein Gespräch mit dem Kassierer an. HALLO!!! Ich habe es eilig, ich muss los, der Korb ist schwer und überhaupt… Ich beginne wie ein Hampelmann zu zappeln. Gesa lacht – na, wenigstens etwas. Ich erzähle ihr, dass wir in Eile sind, dass der Korb schwer ist und dass ich wirklich gerade ungeduldig werde. Plötzlich sagt eine Stimme hinter mir: „Slapp av, det ordner seg.“ Beruhige dich, das wird schon.

Hallo, meine lieben Leser, schön, dass wir uns hier wieder treffen. Norweger lassen sich nicht hetzen, das habe ich in den letzten drei Jahren gelernt. Sie lassen sich vom Leben nicht aus der Ruhe bringen, sondern begegnen den alltäglichen Unwegsamkeiten mit einer positiven Lebenseinstellung: Det ordner seg. – Das regelt sich. Das ordnet sich. Das wird schon. Positive Menschen leben gesünder, erklärt mir das Internet und belegt das mit „zahlreichen wissenschaftlichen Studien“. Das klingt nicht professionell, aber mit ein bisschen gesundem Menschenverstand kann ich mir das selber denken. Klar, oder? Wer positiv denkt, lebt positiv. Viele der heutigen Krankheiten sind ein Resultat von zuviel Stress. Schalten wir diesen, oft selbstgemachten, Stress aus und sehen das Leben positiv, leben wir also gesünder. Ganz klar.

Die Norweger bekommen das positive Denken anscheinend in die Wiege, oder aktueller: das Stokke-Bett, gelegt. Nun frage ich mich, ob positives Denken den hohen Lebensstandard in Norwegen bewirkt hat oder umgekehrt. Fakt ist: In Deutschland fallen mir immer die griesgrämig guckenden Menschen auf. Die Stimmung ist gereizt, die Unzufriedenheit hoch. Das hat viele verschiedene, auch berechtigte, Gründe. Im Gegensatz dazu erscheinen mir die Norweger entspannt, zufrieden, ruhig und gelassen. Aber sind alle so? Oder erlebe ich hier in Frogner eben den gutverdienenden und daher entspannt lebenden Norweger?

Ich glaube nicht.

Ich glaube, dass „Det ordner seg“ keine Sache von hohem Einkommen oder ähnlichen materiellen Umständen ist. Es ist eine Lebenseinstellung. Das wird schon. Bleib ruhig. Entspann dich. Einfach mal lächeln und dann passt das schon.

Nun macht mich das als Deutsche manchmal aggressiv. Zu uns Deutschen passt eher: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Oder, noch besser: „Ordnung muss sein.“ Und so sehr ich die Norweger um ihre Mentalität beneide, so sehr kann ich doch nicht aus meiner Haut. Und werde eben ungeduldig, wenn ich an der Kasse nicht schnell genug an die Reihe komme, wenn Verabredungen und Waschmaschinen kurzfristig verschoben werden, Gäste zu spät kommen, wenn mein gut gebauter Plan nicht funktioniert, weil die Sonne scheint und die notwendig Beteiligten bereits im Park auf der Wiese liegen.

Ich arbeite wirklich an mir.

Aber es ist nicht so einfach, manchmal.

Und Ihr kennt das bestimmt: Je mehr Leute mir dann vorschlagen, positiv zu denken, ruhig zu bleiben oder einfach mal abzuschalten, umso gehetzter werde ich. Besonders hilfreich finde ich ja dann diese – für mich – aus der Hölle stammenden Zitatfotos, die so gerne in sozialen Medien geteilt werden.

So eines, z.B….

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…oder so eins…

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oder dieses hier. Mehr schaffe ich nicht, ohne Rot zu sehen:

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Schlimm, oder? Dabei sind das ja alles gutgemeinte Ratschläge. Ich bin da wohl hoffnungslos. Aber dann – dann gibt es immer wieder Situationen, in denen ich merke, wie weit ich schon gekommen bin mit meiner norwegischen Lebenseinstellung!.

Ort: Das Café im Vigelandspark.

Beteiligte: Eine norwegische Mutter mit Kind, zwei deutsche Touristen und ich.

Es sind die letzten Ferienwochen, Oslos Einwohner sind samt Familien größtenteils aus den Ferien zurück und bevölkern den Frognerpark. Spielplatz und Eis gehören zum Tagesprogramm. Das norwegische Kind darf sich ein Eis aussuchen, während sich die Mutter mit der Kassiererin über das schlechte Wetter unterhält.

Die beiden deutschen Touristen stehen kurz vor der Herzattacke.

1: „Sach mal, was dauuuuert denn da so lange? Ich glaube es ja wohl nicht.“

2: „Das Kind will ein Eis.“

1: „Ja, das sehe ich auch, dass das Kind ein Eis will. Ich bin ja nicht blind. Aber da könnte uns die Mutter ja auch mal vorlassen, wenn das Gör sich nicht entscheiden kann.“

2: „Na, hör mal! Wie redest du denn? Du kennst das Kind doch gar nicht.“

1: „Ist doch wahr! Meine Füße tun weh, ich will eine Flasche Sprudel und außerdem versteht mich hier eh keiner.“

*Ich räuspere unmerklich.*

2: „Den ganzen Tag bist du schon so gereizt. Das macht keinen Spaß.“

1: „Gereizt? GEREIZT? Ich bin keine Spur gereizt, ich verstehe nur nicht, warum es in diesem Café, das ja wohl eindeutig von vielen Touristen frequentiert wird, keine zweite Bedienung gibt. Und warum die eine dann nicht dafür sorgt, dass es hier mal ein biiiiisschen schneller vorwärts geht. Ist das jetzt zuviel verlangt, oder was? Ich bin hier schließlich im Urlaub, da kann ich wohl ein bisschen Service verlangen. Warten kann ich auch beim ALDI bei uns Zuhause.“

2: „Da musste ich noch nie warten. Da ist doch die Frau Peters an der Kasse, das ist eine ganz flinke Frau.“

1: „Das ist doch jetzt überhaupt nicht der Punkt!! – Willst du dich jetzt mit mir streiten, oder was? Toll, soo habe ich mir den Urlaub vorgestellt. Genau so. Vielen Dank.“

Ich beuge mich nach vorne und sage freundlich: „Ganz ruhig bleiben. Alles wird gut. Oder wie die Norweger sagen: Det ordner seg.“

Während „er“ mich mit ungeduldigen Augen anfunkelt, lächelt „sie“ zurück.

Im nächsten Augenblick bezahlt die Mutter und die Kasse wird frei.

Det ordner seg.

***

So, meine lieben Leser, das war es schon für heute. Bin ich mit den Deutschen zu hart ins Gericht gegangen und habe die Norweger zu sehr gelobt? Vielleicht, aber so ist das mit Stereotypen, die funktionieren am besten in Schwarz-Weiß, obwohl es immer und überall viele Grautöne gibt. Den entspannten Deutschen also ebenso wie den unentspannten Norweger. Aber eines bleibt: Positives Denken tut uns gut.

Ich wünsche Euch allen daher eine ganz positive Woche, beobachtet Euch mal selber und testet, wie positiv Ihr seid. Meine wöchentlichen Grüße gehen heute an alle, die den Kopf lächelnd hoch halten, obwohl neben und in ihnen alles zusammenbricht. Ihr seid meine Vorbilder.

Ansonsten fordere ich alle, bei denen es mehr als 30 Grad warm ist, einige Grade und ein paar Sonnenstrahlen nach Oslo zu schicken. Ich will jetzt endlich Sommer!!!

Ha det bra,

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Ulrike

Das (fast) glücklichste Land der Welt ODER Willst du glücklich sein im Leben….

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„Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ So steht es wahrscheinlich nicht nur in meinem Poesiealbum. Willst du glücklich sein im Leben – na, wer will das nicht? Nun ist das mit dem Glück aber so eine Sache, es ist schrecklich subjektiv und was für den einen Glück bedeutet, das hält der nächste für nicht erstrebenswert.

Hallo, meine lieben Leser, wie schön, dass wir uns hier wiedersehen. Seht Ihr mich?? Ich bin die hier oben – im Schneesturm. Ja, es schneit immer noch. – Ich gewöhne mich langsam dran.

Aber zurück zum Thema. Der (über-)menschliche Drang, mit allen Mitteln glücklich zu werden, hat sich mittlerweile in ein rentables Megamillionengeschäft entwickelt: Unzählige Selbsthilfebücher mit vielversprechenden Titeln wie „Die Glückskatzen-Philosophie: Wink dem Glück und es winkt dir zurück“ oder „Wir sind alle kleine Funktürme – Ein Inspirationsprogramm“ füllen die Regale der Bücherläden. Lachyoga-Seminare und kostenpflichtige Bestellungen beim Universum versprechen Unmögliches. Glückberater bieten in Frauenmagazinen oder auf Selbsthilfe-CDs ihre Hilfe an. Glücksweisheiten gepaart mit Sonnenuntergängen verstopfen soziale Netzwerke wie Facebook.

@PetraLaschewski

@PetraLaschewski

Das Glück, scheint es, ist heute überall Thema. Neu ist die Idee, das eigene Glück zu finden, nicht. Schon der griechische Philosoph Aristoteles beschrieb, dass der Mensch durch eigenes Handeln zu seinem Glück beitragen kann und regte damit eine über 2500 Jahre dauernde Diskussion an. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 erklärt „Life, Liberty and the pursuit of Happiness“ (Leben, Freiheit und das Streben nach Glück) zu den Naturrechten des Menschen. 1972 ersetzte der bhutanische König Jigme Singye Wangchuck das Bruttoinlandsprodukt durch das Bruttonationalglück seiner Untertanen und verpflichtete sich zur nachhaltigen Weiterentwicklung des Königreiches. Und im Jahr 2012 legte das Earth Institute, eine Fachabteilung der New Yorker Columbia University, der UN den ersten World Happiness Report vor. Ziel: Festzustellen, in welchem Land die glücklichsten Menschen leben.

Nun ratet, welches Land 2012 gewonnen hat….

happy-fred

Dänemark!

Und ratet, welches Land 2013 gewonnen hat….

Dänemark!

Und nun ratet, wer auf Platz 2 im Jahr 2013 lag??? Na, na, na…..

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NORWEGEN!!!!!!!!!!! Hipphipphurrah!

Ich lebe also in dem zweitglücklichsten Land der Welt. Das ist doch mal eine Aussage, das hebt die Stimmung, da fühlt man sich gut!

Wie aber haben die schlauen Menschen von der UN und dem Earth Institut das festgestellt? Ganz einfach: Sie haben zwei Fragen gestellt, die die Befragten auf einer Skala von 0 bis 10 beantworten sollten:

1. Wie glücklich sind Sie?

2. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben insgesamt?

Denn Glück, so die Forscher, kann zwei Bedeutungen haben: Als Gefühl („Ich bin gerade so glücklich, ich könnte immerzu jubeln!“) und als rationale Beurteilung („Mein Leben ist glücklich.“) Da Menschen dazu tendieren, die Bedeutungen zu verwechseln, entschieden sich die Forscher zu den beiden oben genannten Fragen und erstellten aus den Antworten eine globale Glücksliste. Hier die Top Ten von 2012 und 2013:

2012

1. Dänemark

2. Finnland

3. Norwegen

4. Niederlande

5. Kanada

6. Schweiz

7. Schweden

8. Neuseeland

9. Australien

10. Irland

2013

1. Dänemark

2. Norwegen

3. Schweiz

4. Niederlande

5. Schweden

6. Kanada

7. Finnland

8. Österreich

9. Island

10. Australien

(Quelle: World Happiness Report 2013)

Was aber macht die Bewohner eines Landes glücklich? Warum könnte Norwegen das zweitglücklichste Land der Welt sein? (Und wer jetzt ruft: „Es gibt viel Schnee!!!“ hat verloren…) Ich habe mal ein bisschen nachgedacht und bin für mich zu folgenden Antworten gekommen:

1. Umwelt, Landschaft

Norwegen hat sauberes Wasser, klare Luft und eine grandiose Natur direkt vor der Haustür. Wasser wird hier sorgenfrei aus dem Hahn getrunken und jetzt, wo das Recycling seinen Einzug gehalten hat, wird auch der Umweltschutz eine größere Rolle spielen. In der Natur zu sein gehört zu den wichtigen, positiven Erlebnissen in Norwegen. Draußen sein macht glücklich.

2. Finanzielle Sicherheit

Durch Öl reich geworden, liegen die monatlichen Einkommen in Norwegen heute mit ca. 30% über dem weltweiten Standard, so die OECD-Statistik. Jobs, besonders in staatlichen Unternehmen, sind fast unkündbar, drohende Arbeitslosigkeit ist keine alltägliche Sorge. Das Wiegen in finanzieller Sicherheit führt allerdings auch zu einer grandiosen Verschuldung norwegischer Haushalte. Was passiert, wenn das Öl zur Neige geht, steht in den Sternen. Der milliardenschwere Norwegische Ölfonds, seit Anfang Januar bei 611 Milliarden Euro, sorgt hier schon mal vor.

3. Positive Ausstrahlung

Die beiden oben genannten Punkte bewirken, dass Menschen in Norwegen grundsätzlich besser gelaunt sind und die positiven Seiten des Lebens genießen können. Außerdem lehnen Norweger langwierige, ausufernde Diskussionen und Rechthabereien ab. Jammern liegt ihnen fern und eine derartige Gesellschaft wirkt angenehm. (Keine Angst, es gibt auch schlechte Angewohnheiten, aber die interessieren gerade nicht.)

4. Offen für Familien

Kinder sind willkommen in Norwegen, fast schon eine gesellschaftliche Verpflichtung. Drei Kinder plus Eltern bilden in Norwegen die klassische Rama-Familie. Ihr Schutz und Wohlergehen steht weit oben in der Gesellschaftsordnung. Ein Land, das glückliche Kinder heranzieht, muss ein guter Platz zum Leben sein.

5. Toleranz

Hier ist nicht alles Gold, was glänzt. So offen Norweger auch in Fragen der Gleichberechtigung oder Homosexualität zu sein scheinen – ich bin mir nicht sicher, wie ehrlich das alles ist. Xenophobie ist anscheinend weit verbreitet, Traditionen werden hochgehalten, Nostalgie wird gefeiert und manchmal glaube ich, dass Norwegen besser von sich denkt, als es tatsächlich im Alltag ist. Aber wie gesagt: Ich bin unsicher.

6. Selbstliebe

Und das bringt mich zu einem weiteren Punkt der Kritik: Bewohner Norwegens tendieren dazu, ihr Land einfach super zu finden. Und viel besser als jedes andere Land auf der Welt ist es schon mal überhaupt. VIEL besser. VIEL bessere Menschen. VIEL bessere Natur. NATÜRLICH ist man hier glücklich. Ja, vielleicht. Aber lebt man in Norwegen wirklich glücklicher? Oder haben die Menschen in Norwegen einfach beschlossen, glücklich zu sein, weil es sich so besser leben lässt, unabhängig von den Problemen, die das Land trotz allem hat? Kann man Glück überhaupt messen? Nun ja, man kann es immerhin versuchen. Und vielleicht sagt es wirklich etwas über die einzelnen Länder und deren Bewohner aus. Aber im Endeffekt ist doch jeder seines eigenen Glückes Schmied, ob nun in Norwegen, Deutschland oder Togo.

Und das bringt mich zu meiner letzten Frage, diesmal an Euch: Auf welchem Platz, glaubt Ihr, liegt Deutschland? (Nicht nachgucken! Schätzen!) Und warum wohl?

„Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ Das war es schon wieder für heute, meine lieben Leser. Ich wünsche Euch eine glückliche Woche, beantwortet die Fragen vom Earth Institute und guckt, wie glücklich Ihr seid. Und wenn da etwas nicht stimmt: Dann geht los und macht jemanden anderen glücklich, denn das, so mein Poesiealbum, ist der einzig wahre Weg zum Glück!

Ha det bra,

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Ulrike